Mariyan Shved: leiste etwas auf dem Platz, dann bist du integriert

Mariyan Shved hat mit seinen 23 Jahren schon einiges erlebt – UPL-Spieler bei Karpaty schon mit 17 Jahren, schon in der nächsten Saison der Wechsel zu FC Sevilla, die Rückkehr nach Lviv, der 2 Mio schwere Wechsel zu Celtic Glasgow, und schließlich KV Mechelen, wohin er diese Saison ausgeliehen ist. Nachdem ihn schon viele abgeschrieben hatten, begann er im letzten Dezember plötzlich zu Einsatzzeiten zu kommen und wurde mit immer stärkeren Leistungen zu einem der wichtigsten Spieler seiner Mannschaft.

In unserem ausführlichen Interview mit ihm haben wir Mariyan als einen sehr sympatischen und reflektierten jungen Mann kennengelernt, der uns viel interessantes von seinem Leben in Belgien, seiner Entwicklung seit seiner Zeit in Lviv und auch von seinem Herzensclub zu erzählen hatte.

Mariyan Shved, Photo: © Informationszentrum «FK Karpaty»

Wie geht es dir jetzt?

Danke, mir geht es gut. Ich hatte eine Verletzung, aber davon habe ich mich voll erholt und bin bereit zu spielen.

Jetzt bist Du seit ein paar Monaten in Belgien. Wie gefällt dir das Leben hier?

Aufgrund der Pandemie konnte ich mich noch nicht so richtig umsehen. Ich lebe in Brüssel mein Leben besteht vor allem aus Training, nach Hause, Training, nach Hause.

Du wohnst in Brüssel. Warum hast du Dich dafür entschieden? Hast Du Dir die Wohnung selbst ausgesucht?

Der Club hat die Wohnung für mich gefunden und mir gezeigt. Ich schaute sie mir an, sie gefiel mir,  und ich habe sie genommen. Sie ist im 28. Stock und das mag ich.

Und Du hast es noch nicht geschafft, die Stadt und die Region zu erkunden, ein bisschen herum zu laufen?

Am Anfang ging ich viel in hier der Gegend spazieren, denn als wir ankamen, gab es noch nicht alle diese Maßnahmen – die Restaurants waren geöffnet, wir gingen durch Brüssel, in Restaurants.

Wie hat Dir das belgische Essen gefallen?

Ich halte mich an mein übliches Essen, das ich im Grunde auch in der Ukraine essen würde – Pasta, Fleisch und Fisch, also habe ich das belgische Essen nicht wirklich ausprobiert.

Und Du hast noch keine belgischen Pommes probiert? Oder belgisches Bier?

Nein, das habe ich tatsächlich nicht, das ist nicht gesund für Sportler.

Viele Deiner Teamkollegen bei Mechelen sind Belgier und die meisten sprechen Flämisch. Hast Du ein paar Worte aufschnappen können?

Nicht wirklich. Untereinander sprechen sie Flämisch, aber wenn sie mit mir sprechen, wechseln sie ins Englische.

Wenn Du vor der Pandemie in Restaurants gingst, wie hast Du Dich dann verständigt?

Alle verstehen Englisch, das war alles ganz problemlos.

Ist die Integration in der Mannschaft schwierig, wo Du die Sprache hier nicht kennst?

Am Anfang war es schwierig, weil ich nicht zum Einsatz kam. Aber später, als ich mehr spielte, wurde alles besser.

Also wenn du gut spielst, schätzen dich deine Teamkollegen höher?

Absolut, 100%. Das ist überall auf der Welt gleich.

Du verstehst schon viel ohne Dolmetscher. Hast Du Englischunterricht gehabt, seit Du Lviv verlassen hast?

Ich habe angefangen, mehr zu verstehen, weil ich schon eine ganze Weile erst in Schottland und dann hier war. Dadurch, dass ich die ganze Zeit Englisch um mich herum höre, verstehe ich mittlerweile so ziemlich alles, aber es fällt mir immer noch schwer, Englisch zu sprechen. In Schottland hatte ich einen Englischlehrer, aber der lokale Akzent ist wirklich schwer zu verstehen. Selbst jetzt würde ich immer noch manches nicht verstehen.

Im Allgemeinen sind Sprachen nicht wirklich etwas, worin ich gut bin. Aber mit dem Englisch, das ich kann, verstehe ich alles, was mit meiner beruflichen Tätigkeit zu tun hat, da gibt es keine Probleme.

Im Spiel gegen Waasland-Beveren hast Du zweimal getroffen und eine Vorlage gegeben, wofür Du in der belgischen Sportpresse 9 von 10 Punkten bekommen hast, was wirklich außergewöhnlich ist. Das scheint darauf hinzudeuten, dass Du wirklich einen großen Schritt nach vorne gemacht hast.

In diesem Spiel lief es natürlich sehr gut für mich und es ist wichtig, dass wir gewonnen haben. Ich versuche immer, gut zu spielen, und – natürlich – manchmal gelingt das, manchmal nicht. Aber am wichtigsten bleibt immer, dass unser Team gewinnt. Wir haben in letzter Zeit sehr gut gespielt und häufig gewonnen, obwohl wir gerade das letzte Spiel verloren haben. Weißt du, es gibt immer ein Element von Glück dabei – manchmal spielst du sehr gut, aber die Mannschaft verliert. In anderen Spielen bist Du eigentlich nicht gut, erzielst aber trotzdem ein Tor, und Dein Team gewinnt.

Wenn Du auf die Zeit zurückblickst, als Du gerade Lviv verlassen hattest, was würdest Du mit der Erfahrung, die Du jetzt hast, anders machen?

Wenn Du mich fragst, ob es eine gute Idee war, zu Celtic zu wechseln, ist das schwer zu sagen. Natürlich lief es dort nicht gut, weil ich nicht zum Einsatz kam. Wenn ich in einen anderen Club gegangen wäre, wüsste ich, dass es da besser gewesen wäre? Also, ja, ich hätte woanders mehr Spielzeit haben können, aber ich hätte genauso gut in der gleichen Situation landen können wie bei Celtic. Also, was passiert ist, ist einfach passiert. Ich kann das nicht rückgängig machen.

Bei KV Mechelen hast Du 3 Monate gebraucht, bis Du endlich richtige Einsatzzeiten bekommen hast. Wie glücklich bist Du jetzt, dass Du endlich zeigen kannst, was Du kannst?

Natürlich geht es mir jetzt viel besser, da ich mich auf dem Platz zeigen kann. Als Fußballspieler musst Du spielen, egal welche Mannschaft. Nu wenn Du spielst und einen Beitrag für Deine Mannschaft leisten kannst, bist Du glücklich.

Am Anfang warst du oft noch nicht einmal im Kader. Welche Gedanken kamen Dir? Bist Du in Panik geraten? Wie hast Du die Situation analysiert?

Ich gerate nicht in Panik. Du musst versuchen, hart zu arbeiten und auf Deine Chance warten. Am Anfang hatte ich nur wenige Möglichkeiten, mich zu zeigen. Aber dann gab der Trainer dieses Interview. Und bei mir hatte sich eine Änderung vollzogen. Ich sah ermutigende Signale und hatte das Gefühl, dass etwas möglich war. Danach wurde es schnell viel besser. Wichtig ist nicht, wie Du in die Saison startest, sondern wie Du sie beendest.

Könnte es sein, dass Trainer Wouten mehr Vertrauen in Dich hat, auch weil Du nach diesem Interview etwas geändert hast?

Vielleicht war das der Fall. Ich hatte tatsächlich angefangen, mehr zu trainieren.

War es nur das Training?

Schwer zu sagen. Am Anfang gab es einige Dinge, die ihn störten, ich war oft als Letzter da und dann als erster weg. Das macht natürlich keinen guten Eindruck. Wir mussten um 08:00 Uhr zum Training erscheinen, das war sehr früh für mich, ich war praktisch noch nicht richtig wach, wenn ich ankam. Der Zeitplan im Club unterschied sich einfach sehr von meinem Biorhythmus. Nach dem Training gab es immer ein gemeinsames Mittagessen, was auch einige Zeit dauerte und wodurch ich mich nicht wie gewohnt eine bis zwei Stunden danach ausruhen konnte. Mit den Änderungen aufgrund des Coronavirus änderten sich unsere Teamprozesse. Wir fangen jetzt nicht so früh am Morgen an, und es gibt kein Team-Mittagessen mehr. So komisch das klingt, hat es für mich die Sache tatsächlich etwas leichter gemacht.

Du sagst, dass Du auch mehr trainiert hast, wie war das?

Tatsächlich war es mehr, dass ich härter trainiert habe, als einfach nur länger Zeit mit Training zu verbringen. Ich war einfach fokussierter und motivierter. Einen Einfluss darauf haben natürlich auch meine Einsätze für die Mannschaft gehabt, insbesondere jetzt, wo wir gut spielen und sowohl in der Liga als auch im Pokal, in dem wir im Viertelfinale stehen, etwas erreichen können.

Mariyan Shved, Photo: © Informationszentrum «FK Karpaty»

Hast Du jetzt das höchste Niveau Deiner bisherigen Karriere erreicht?

Das höchste Niveau wird sein, wenn ich in der Champions League spiele [lächelt].

Hast du jemals besser gespielt als jetzt?

[lächelt] Das weiß ich nicht. Vielleicht habe ich tatsächlich noch nie besser gespielt als jetzt. Aber das alles muss man im richtigen Kontext sehen. Als ich in der UPL spielte, traf ich gegen die besten Mannschaften des Landes, wie Dynamo [Kyiv], Shakhtar [Donezk] und Zoriya [Luhansk]. Das war auch die Zeit, als ich in die ukrainische Nationalmannschaft berufen wurde. Natürlich weiß ich, dass die belgische Liga stärker ist, aber in gewisser Weise könnte man auch sagen, dass ich damals meine beste Zeit hatte. Es ist schwer zu sagen.

Bei Karpaty hast Du zusammen mit Ihor Plastun gespielt, der auch wie Du jetzt in Belgien spielt – seid Ihr in Kontakt?

Er war mein Mannschaftskamerad in meiner ersten Saison bei Karpaty, als ich gerade erst 17 Jahre alt war. Natürlich kenne ich ihn sehr gut. Aber auch alle anderen wie Jaremtschuk, Besus und Mykhajlytschenko. Mit Ihor bin ich in Kontakt. Wir haben uns noch nicht getroffen, aber wir telefonieren manchmal, vielleicht einmal im Monat.

Worüber redet Ihr?

Am Anfang ging es um Fußball, dann vor allem darum, wie Dinge funktionieren, also wie man dies und das macht.

Und was sonst noch? Deine Karriere? Die alten Zeiten bei Karpaty?

Über unsere Karrieren, ja. Aber nicht wirklich über die alten Zeiten in Lviv – das ist schon so lange her.

Hast Du Kontakt zu in Belgien lebenden Ukrainern aufgenommen?

Nein nicht wirklich. Ich kann wegen der Coronavirus-Bestimmungen nicht viel unternehmen. Und in meinem Leben ist aktuell so ziemlich jede Minute straff organisiert: aufstehen, trainieren, nach Hause zurückkehren, zu Mittag essen, schlafen, vielleicht eine Stunde lang am Computer spielen, in den Supermarkt gehen, Essen kaufen, zubereiten, essen, schlafen gehen. Aber tatsächlich ist gerade ein alter Freund aus Kindheitstagen aus der Ukraine zu Besuch gekommen, und das ist wirklich schön, wir haben uns viel zu erzählen. Wir haben zusammen in der Schule gespielt, aber er wurde kein professioneller Fußballspieler. Damals verbrachten wir so viel Zeit miteinander, dass es einige um uns herum schon störte [lacht].

Es sieht so aus, als wärest Du jetzt voll in Dein Team integriert. Welchen Rat würdest Du einem jungen ukrainischen Spieler geben, der eine Karriere in Belgien machen möchte?

[lacht] Wenn das ein junger Spieler mit einem ähnlichen Charakter wie meinem wäre, jemand, der sehr sensibel, emotional und leicht gekränkt ist, würde ich sagen, sei nicht so. In der Ukraine, wenn die Leute sehen, dass Du irgendwie gekränkt bist, kommen sie zu Dir und sprechen Dich an, fragen was los ist. Hier tun sie es nicht. Du musst selber damit klarkommen und nicht erwarten, dass andere kommen, um Dich zu trösten. Also: nicht kränken lassen, Dinge nicht persönlich nehmen, sich nicht mit so etwas beschäftigen – einfach weiter arbeiten und spielen.

Haben die anderen ukrainischen Spieler ähnliche Erfahrungen gemacht?

Es ist eine Frage des Selbstvertrauens. Junge Spieler sind sensibler, haben weniger Selbstvertrauen und sind leichter gekränkt. Ein Spieler wie Ihor Plastun hat viel mehr Lebenserfahrung, der ist ja schon 30 Jahre alt. Mein Rat ist also eher für jüngere Spieler so wie mich.

Bist Du mit den anderen ukrainischen Spielern in einer WhatsApp-Gruppe?

Ja, natürlich gibt es solche Gruppen. Aber ich persönlich schreibe da nichts.

Gibt es auch so eine Gruppe mit den Mechelen-Spielern?

Ja, klar. Aber ich schreibe dort auch nichts.

Helfen solche Gruppen bei der Integration?

Wie sollen sie das? Für die Integration ist wirklich nur eines wichtig: Du musst mit der Mannschaft spielen, gute Leistungen bringen und Ergebnisse erzielen. Das ist unser Beruf, und das hat wirklich den größten Einfluss. In solchen Gruppen teilen die Leute Sachen, die lustig sind, sozusagen für das emotionale Wohlbefinden, aber es bedeutet in dieser Hinsicht nicht wirklich viel. Für mich als ausländischer Spieler gibt es da auch einen anderen Aspekt: ​​Ich bin hierher gekommen, ich verdiene Geld, ich muss zeigen, dass ich das wert bin. Für mich ist es nicht dasselbe wie für die einheimischen Spieler.

Am Ende dieser Saison läuft Deine Leihe an Mechelen aus. Möchtest Du dann gern zu Celtic zurückkehren oder wäre Dir lieber, wenn Mechelen die Kaufoption zieht, um Dich dauerhaft zu verpflichten?

In diesem Moment ist die Situation so: Ich muss nach der Saison nach Glasgow zurückkehren, weil ich da einen gültigen Vertrag habe. Aber was dann passieren wird – ich weiß es nicht. Vielleicht bleibe ich hier, vielleicht bin ich dann dort, dann muss dann alles innerhalb der ein bis zwei Monaten entschieden werden.

Glaubst Du, dass Dein Integrationsprozess mit den hier in Belgien gesammelten Erfahrungen leichter wäre, solltest Du zu Celtic zurückkehren?

Das ist schwer zu sagen. Das Team dort ist immer noch das gleiche wie damals.

Aber es wird einen neuen Trainer geben.

Ja, Lennon wurde kürzlich entlassen, aber wir wissen noch nicht, wer als nächstes kommt. Der neue wird möglicherweise erst im Sommer eintreffen.

Wenn Du also zurückkehrst, wird es für Dich am wichtigsten sein, dass Du spielst.

Natürlich. Das ist überall gleich, egal bei welchem ​​Verein Du bist.

Dein alter Verein, Karpaty, ist nach der letzten Saison in die Druha Liha [ukr. 3. Liga] abgestiegen und hat große Schwierigkeiten. Wie beurteilst Du die Überlebenschancen des Clubs? Glaubst Du, dass sie nach der Sommerpause vielleicht sogar schon in der Perscha Liha [ukr. 2. Liga] spielen könnten?

Ich denke, dass es eine gute Chance gibt, sie, vielleicht sogar den alten Verein, in der nächsten Saison in der Perscha Liha zu sehen – natürlich mit dem alten Wappen, nicht mit dem neuen!

Es gibt einige Leute in Lviv, die dem neuen Besitzer und seinem Management nicht trauen und sagen, dass sie Betrüger sind. Aber Du stimmst dem nicht zu?

Nein, weil ich Smaliychuk [den neuen Clubbesitzer] kenne. Ich sage nicht, dass er gut für jeden ist, das kann er nicht sein. Er hat weder für mich noch für den Club etwas schlechtes getan. Einige sagen, dass er Karpaty „versenkt“ habe. Aber das hat er nicht. Er hat den Club mit großen Problemen übernommen, die er aber nicht verursacht hat.

Wenn Du jemals in die Ukraine zurückkehren und für einen ukrainischen Verein spielen solltest, welcher käme für Dich in Frage?

Nur ein Club. Tatsächlich hatte ich sogar zweimal die Möglichkeit, zu Dynamo zu wechseln. Aber in der Ukraine gibt es nur einen Verein für mich.

Das Interview führten Valerie van Avermaet und Martin Dietze.

This interview is also available in English language: Mariyan Shved: deliver on the pitch, that’s how you integrate into your team

Те саме інтерв’ю можна читати українською мовою тут: Мар’ян Швед розставив усі крапки над „і“: воскресіння у Мехелені, контракт із Динамо, ставлення до Смалійчука і Карпат