Heute spielten Karpaty bei Livyj Bereh, einem Team des unteren Tabellendrittels. Beim 2:2 letzte Woche bei deren Tabellennachbarn Obolon‘ war schon deutlich geworden, dass dies sicher kein Selbstgänger sein würde. Natürlich war erneut ein Sieg Pflicht. Da alle Bewerber um den 4. Tabellenplatz letzte Woche unentschieden gespielt hatten, war die Ausgangssituation immer noch die selbe wie vorher.

Trainer Lupaschko musste auf keine gesperrten Spieler verzichten, hatte aber nach wie vor Verletzungssorgen: Oleksij Sytsch hat gerade erst mit dem individuellen Training begonnen, und Jean Pedroso war ebenfalls nicht einsatzbereit. Außerdem war Pavlo Polehenko leicht angeschlagen und sollte daher nicht von Beginn an riskiert werden. Entsprechend gab es in der Defensive ein wenig Improvisation:
- Yakiv Kinarejkin (TW)
- Denys Miroschnitschenko (RB)
- Vladyslav Babohlo (IV)
- Tymur Stets’kov (IV)
- Patricio Tanda (LB)
- Pablo Álvarez (ZDM)
- Yevhen Pidlepenets‘ (RW)
- Ambrosij Tschatschua (RZM)
- Bruninho (LZM
- Yan Kostenko (LW)
- Igor Neves (MS)
Auf der Bank saßen:
- Oleksandr Kemkin (TW)
- Mykola Kyrytschok (RV)
- Volodymyr Adamyuk (LV)
- Oleh Otscheret’ko (ZAM)
- Ilya Kvasnytsya (RW)
- Oleh Fedor (ZM)
- Vladyslav Klymenko (ZM)
- Pavlo Polehenko (RV)
- Ihor Krasnopir (MS)
- Artur Schakh (ZAM)
- Nasar Domtschak (TW)
- Oleh Otscheret’ko
Im weiteren Verlauf des Spiels kamen noch Oleh Otscheret’ko (Yevhen Pidlepenets‘), Volodymyr Adamyuk (Patricio Tanda), Pavlo Polehenko (Tymur Stets’kov), Ihor Krasnopir (Igor Neves), Oleh Fedor (Yan Kostenko) zum Einsatz.

Livyj Bereh zeigte sich von Anfang an als unbequemer Gegner und setzte die umformierte Abwehr der Grünweißen gleich unter Druck. Die wiederum sah dabei nicht immer sicher aus, überstand aber die erste Viertelstunde unbeschadet. Um diese Zeit hatten sich die Gäste dann auch langsam etwas freigespielt und konnten selber ein wenig offensive Akzente setzen.
Diese sich gerade entwickelnde Souveränität wurde dann aber brutal gestört. Pablo Álvarez war bereits früh im Spiel für ein Foul verwarnt worden. Nach 18 Minuten traf er etewas unglücklich bei einem Zweikampf die Ferse seines Gegenspielers, und der Schiedsrichter zückte gelb-rot.
Ohne eine Wiederholung zur Verfügung zu haben, war das aus Sicht des Unparteiischen eine durchaus vertretbare Entwscheidung, die auch vom VAR nicht beanstandet wurde, allerdings konnte man in der Wiederholung doch erkennen, dass es sich hier um eine eher unglücklich Aktion als denn grobes oder rücksichtsloses Spiel des Spaniers gehandelt hatte. Karpaty mussten nun für rund 70 Minuten zu zehnt spielen – und dieses Spiel doch unbedingt gewinnen.
Positiv war, dass das Spiel der Gäste unter der zahlenmäßigen Unterlegenheit scheinbar nicht litt. Sie suchten weiter die Offensive und wirkten wie das stärkere Team – solange Livyj Bereh dann nicht doch mal in die Nähe des Karpaty-Strafraums kam, denn so richtig sicher war man sich nicht, ob diese etwas improvisierte Viererkette ihrer Aufgabe immer gerecht werden würde.
Nach einer halben Stunde fiel dann das erste Tor. Nach einem diagonalen Pass kurz vor die linke Ecke des Fünfmeterraums kam Kostenko vor Torwart Mekhaniv an den Ball, wich auf die linke Flanke aus, flankte flach vor das Tor, und Tschatschua stand bereit, um den Ball ins Tor zu stochern.
Aber schon zwei Minuten später stand es 1:1. Die Karpaty-Abwehr war zu weit aufgerückt, und nach einem Angriff über die rechte Seite war es dann Oleh Synytsya, der den Ball aus kurzer Distanz über die Linie drückte. Das Spiel war weiter offen. Livyj Bereh wirkten durch den Ausgleich beflügelt und griffen weiter an und bauten dabei einen erheblichen Druck auf.
Nach 39 Minuten zeichnete sich Kinarejkin aus, als er einen platzierten Schuss aus 8 Metern aus seiner rechten Ecke fischte und damit seine Mannschaft vor einem Rückstand bewahrte. Wenig später htte Pidlepenets‘ an der rechten Strafraumecke freie Bahn, zögerte aber zu lange, und kurz vor dem Halbzeitpfiff hatten Livyj Bereh gleich zweimal hintereinander eine Riesenchance, in Führung zu gehen, beide Male verfehlte der Ball knapp das Tor von Kinarejkin.
Für den neutralen Zuschauer war das ein schön anzusehendes, von beiden Mannschaften offensiv geführtes Fußballspiel, aber aus Perspektive der Grünweißen war das im Grunde viel zu aufregend. Als schließlich nach 3 Minuten Nachspielzeit der Pausenpfiff erklang, war die Erleichterung auf Seiten der Grünweißen wohl deutlich größer als beim Gegner.
Zum Wiederanpfiff gab es gleich die ersten beiden Wechsel: Otscheret’ko kam für Pidlepenets‘ und Adamyuk für Tanda. Am Spiel änderte sich aber erst einmal wenig – Livyj Bereh war im Vorwärtsgang und setzte die Karpaty-Abwehr richtig unter Druck. Und die defensiven Probleme bei Karpaty wurden noch größer. Es waren gerade 3 Minuten in der zweiten Hälfte gespielt, als Stets’kov am Boden saß und sich an sein linkes Knie fasste. Für ihn rückte nun Adamyuk in die Innenverteidigung, Miroschnitschenko wich auf die linke Seite aus, und Polehenko kam aufs Feld und übernahm rechts.
Das Spiel wurde auch von beiden Seiten mit einiger Härte geführt. Bereits in der ersten Hälfte hatte es neben dem Platzverweis für Álvarez eine Reihe Verwarnungen gegeben, drei bei den Gastgebern (Samar, Sokolov, Ivan Kohut) und noch eine bei Karpaty (Bruninho). Das setzte sich dann in der zweiten Spielzeit mit Diego bei Livyj Bereh fort. Jedoch waren Karpaty weiter in der Unterzahl.
Doch trotz der Unterzahl waren es die Grünweißen, die nach 59 Minuten in Führung gingen – Livyj Bereh hatte Chance um Chance vergeben, und bei einem Gegenstoß der Gäste war die Abwehr zu weit aufgerückt. Tschatschua zeigte wieder sein hervorragendes Positionsspiel, als er beim diagonal in den Strafraum gespielten Ball links am Fünfmeterraum goldrichtig stand und zum bejubelten 1:2 einschoss. Das war ein wenig schmeichelhaft, zeigte aber die Klasse und Reife der Grünweißen – zumindest im Spiel nach vorn.
Und dabei blieb es nicht: Nach dem Gegentreffer war die Konzentration der Gastgeber deutlich gestört, und Karpaty kamen gleich wieder zu einem Tempogegenstoß, der in einer flachen Flanke von der rechten Grundlinie resultierte, die Igor Neves erreichte, der aus einem Meter den Ball über die Linie drückte. Wie lange hatte der Brasilianer in dieser Saison auf seinen ersten Treffer gewartet, aber jetzt „lief“ es einfach.
Es ging emotional weiter. Nach einer Rangelei im eigenen Strafraum sah auch noch Kostenko gelb. Er blieb nicht allein, zu ihm gesellte sich wenig später auch Shastal. Es war ein „buntes“ Spiel. Es wurde aber auch Fußball gespielt. Nach 71 Minuten verpasste Kinarejkin im Luftkampf den Ball, der dann in einem Bogen über ihn hinweg geschossen auf das Tor zuflog. Polehenko eilte zurück und schaffte es, den Ball von der Grundlinie zu kratzen, der aber so unglücklich auf Babohlo traf, dass er darauf als blitzsauberes Eigentor für den 2:3 Anschlusstreffer der Gastgeber sorgte.
Das Spiel, das eigentlich schon gewonnen gewähnt wurde, war auf einmal wieder offen. Livyj Bereh schöpfte neue Kraft, und bei Karpaty war wieder ein wenig Unsicherheit zu spüren. Nach 74 Minuten kam Krasnopir für Igor Neves, was der Offensive ein wenig Tempo im Konterspiel versprach. Nun musste erst einmal wieder ein wenig Spielkontrolle her und dem Gegner nicht die Kontrolle überlassen werden.
Nach 84 Minuten kam Fedor für Kostenko. Beiden Mannschaften war das hohe Laufpensum anzusehen, und das Spiel wurde doch zumindest etwas langsamer als bisher. Karpaty kamen zu einiger Entlastung, wenn sie in der gegnerischen Hälfte nicht sofort den Abschluss suchten, sondern den Ball in den eigenen Reihen hielten und Standardsituationen suchten.
Kurz vor Abpfiff hielt bei einem Eckstoß der Gäste der Schiedsrichter die gelbe Karte in der Hand, und der bereits verwarnte Bruninho schaute ihn ungläubig an. So richtig klar war nicht, was sich hier gerade abspielte. Hatte Bruninho gelb gesehen? Dann hätte er eigentlich mit der Ampelkarte vom Platz gestellt werden. Der Unparteiische stecke die Karte in die Tasche, und Bruninho blieb auf dem Platz.
Livyj Bereh griff mit dem, was an Kräften noch übrig war, an, und Karpaty warfen alles dazwischen, was sie hatten und warteten sehnsüchtig darauf, dass die 5 Minuten Nachspielzeit doch endlich zuende gingen. Und sie gingen. Karpaty gewannen ein heiß umkämpftes Spiel nach 70 Minuten in Unterzahl schließlich knapp mit 2:3 und bleiben im Rennen um die internationalen Plätze.
Fazit
Dies war eine richtig harte Nuss für die Grünweißen. Der frühe Platzverweis für Abräumer und Pivot Álvarez (bereits sein zweiter in dieser Saison) war ein Schock und hätte leicht ein entscheidender Faktor in diesem Spiel werden können.
Livyj Bereh spielte über weite Strecken stark, die Karpaty-Abwehr wirkte unsicher, bis eigentlich aus der Not durch die Verletzung von Stets’kov mit den Einwechselungen von Adamyuk und Polehenko die Notkonstruktion mit Tanda links beendet war und eine eingespielte Viererkette hinten stand. Die Gastgeber hatten etliche Großchancen, die, wenn auch nur einige davon genutzt worden wären, das Spiel bereits in der ersten Hälfte hätten entscheiden können.
Bei alledem zeigten die Grünweißen heute aber auch Charakter und Reife. Trotz der langen zahlenmäßigen Unterlegenheit schlug sie, als sie unter großem Druck standen, eiskalt zurück und erzielten ihre Treffer. Die Emotionalität der Auseinandersetzung schien auch dem Gegner mehr zu schaden.
Alles in allem war dies ein hochunterhaltsames Fußballspiel mit Chancen auf beiden Seiten, das zu keinem Zeitpunkt langweilig war. Nächstes Wochenende, am Sonntag, steht für Karpaty das schwerste der noch ausstehenden Spiele an – es geht zu hause gegen Tabellenzweiten Oleksandriya, gegen den man im Hinspiel chancenlos verloren hatte, der aber unbedingt geschlagen werden muss, wenn man noch eine Chance auf den vierten Tabellenplatz zum Saisonende haben will.
