Vorskla – Karpaty: 0:4

Heute spielten Karpaty ihr erstes Pflichtspiel nach der Winterpause auswärts bei Vorskla Poltava. Die war außerdem das erste Pflichtspiel unter dem neuen Trainer, Fabri González, der ja mit dem Image eines “Schleudersitztrainers” kam und natürlich im Vorfeld für einige Skepsis gesorgt hatte. Vorskla kämpft um das Erreichen der ersten Sechs, die nach Ende der Vorrunde um die internationalen Plätze spielen werden, während Karpaty wohl wieder gegen den Abstieg werden spielen müssen.

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Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Allgemein mit einiger Neugier betrachtet wurde natürlich auch die Aufstellung. In den Testspielen war natürlich viel experimentiert worden, nun nun sollte sich zeigen, wie der Trainer spielen lassen würde, wo es “ernst” wird.

Das Spielsystem ähnelte ein wenig dem, das noch unter Interimstrainer Boychyschyn gespielt wurde – ein 3:4:3 mit Kuchynskyj im Tor, davor drei Innenverteidigern mit Sandokhadse, Papa Guyeye und Mehremic, im Mittelfeld Myakushko, Klyots, Hongla und Hutsulyak, im Sturm dann Shved, Debelko und in ungewohnt offensiver Rolle Di Franco, der nach dem Ausscheiden Fedetskyjs die Kapitänsbinde trug. Es wurde also ohne echte Außenverteidiger gespielt – gegen eine konterstarke Mannschaft wie Vorskla konnte man das gelinde gesagt als mutig bezeichnen.

Auf der Bank saßen Torwart Penkov, Verteidiger Kovtun, Slyva und Busko sowie die Offensivspieler Yoda, Ponde und Vargas. Interessanterweise gab es hier keinen zentralen Mittelfeldspieler, der u.U. Klyots oder Hongla ersetzen könnte, wobei immerhin Di Franco auf dieser Position Erfahrung hat.

Das Spiel begann von beiden Seiten zerfahren mit vielen Ballverlusten, wobei Vorskla zunächst wohl auch wegen der größeren individuellen Klasse etwas besser aussah. Die Hausherren hatten auch die erste richtige Chance des Spiels, als nach 5 Minuten Vasin an der Strafraumgrenze angespielt wurde und schnell aus der Distanz abzog, das Tor aber knapp verfehlte. Es fiel auf, dass Karpaty trotz der formal sehr offensiven Aufstellung eher tief standen und auch den Spielaufbau mit etwas weniger Tempo angingen, als man das bisher gewohnt war.

Nach 9 Minuten kamen die Gäste zum ersten Mal vor das gegnerische Tor, als Shved von rechts in den Strafraum eindrang und Debelko in der Mitte anspielte, der aber den Ball nicht unter Kontrolle bekam. Das Spiel wurde langsam etwas besser, beide Seiten hatten ihre offensiven Aktionen, und Karpaty wirkten etwas stärker als zu Beginn.

In der 25. Minute stand es plötzlich durchaus überraschend 0:1 – Hutsulyak war über seine linke Seite gekommen und hatte flach in den Strafraum gepasst, wo Di Franco den Ball zunächst nicht richtig traf, dann aber den Nachschuss doch noch im Tor unterbrachte. Das war natürlich ein Auftakt nach Maß, mit dem wohl keiner so recht gerechnet hätte, aber dem Spielverlauf nach durchaus nicht vollkommen unverdient.

 

 

Drei Minuten später durfte Myakushko einen Freistoß aus seiner Lieblingsentfernung treten, platzierte den aber schlecht, so dass er zwar durch die Mauer, aber dann doch Schust direkt in die Arme schoss. Vorskla bemühte sich nun natürlich mehr um eigene Chancen, fanden aber zunächst immer noch nicht so recht einen Weg durch die Deckung der Gäste. Die Dreierkette stand da hinten mit all ihrer Erfahrung (hier standen die ältesten Feldspieler der Mannschaft) und ließ ganz einfach nichts zu. Das beste, was die Hausherren vorerst hinbekamen, war ein schöner Distanzschuss von Scharpar, der aber über das Tor hinweg ging.

Nach pünktlich 45 Minuten pfiff dann der Schiedsrichter zur Halbzeit, und Karpaty genossen das vollkommen ungewohnte Gefühl, mit einer Führung in die Pause zu gehen.

Die zweite Hälfte begann ohne personelle Änderungen bei Karpaty, und sie wirkte zunächst wie eine direkte Fortsetzung dessen, was sich zuvor abgespielt hatte: Vorskla drängte, und Karpaty versuchte, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen, Ball und Gegner zu kontrollieren. Das funktionierte auch vorerst weiter gut.

 

Nach 50 Minuten gab es Elfmeter für Karpaty. Nach einer Ecke war Debelko im Stochern um den Ball von den Beinen geholt worden – das war sicher keine Absicht gewesen und schien etwas hart. Shved trat und verwandelte sicher – 0:2. Bei Vorskla wurde nun gewechselt. Edin Sehic kam und sollte natürlich die Offensive verstärken.

Aber das nächste Tor erzielten doch wieder Karpaty, und das nur 4 Minuten nach dem 0:2. Debelko, der mit seinem kahlgeschorenen Kopf und Vollbart manchmal wie Clublegende Khudob’yak wirkt, erkämpfte sich vor dem Strafraum den Ball, spielte ihn nach rechts auf Myakushko, der dann in den Strafraum, wo Shved, auch wiederum mit einem Abpraller dazwischen, flach ins linke Eck einschoss.

Vorskla wirkte geschockt und fand nicht mehr richtig ins Spiel zurück. Es gab einige Frustfouls, aber für Karpaty passte die Spielsituation natürlich ideal zu der vom Trainer ausgegebenen Marschrichtung: man stellte sich gut in Position, störte früh, ohne dabei aber hinten zu viele Lücken zu lassen und hatte hinten mit Sandokhadse, Guyeye und Mehremic drei erfahrene “Hightowers” stehen, die die absolute Lufthoheit hatten und ohne viel Mühe abwehren konnten, was da so kam.

Bei Vorskla wurde dann erneut gewechselt, Kolomoyets kam für Vasyn, und es tat sich fortan auch tatsächlich etwas mehr in der Offensive. Nach 71 Minuten war zum ersten Mal Kuchynskyj so richtig gefordert, der einen schönen Volleyschuss aus 7 Metern mit einem tollen Reflex gegen den von ihm aus rechten Pfosten lenkte – den Ball hatten eigentlich alle schon im Tor gesehen. Zwei Minuten später kamen Karpaty zu einem Freistoß aus aussichtsreicher Position, etwas weit links allerdings für Myakushko, so dass Klyots dann auch mal durfte – und das tat er nicht schlecht, Boyko konnte den Ball gerade noch mit letzter Kraft aus seiner rechten Ecke heraus um den Pfosten lenken. Der folgende Eckstoß brachte dann nichts ein.

Das Spiel war mittlerweile sehr ansehnlich geworden. Vorskla hatte wieder zu einem gewissen Spielfluss gefunden, und Karpaty hielten mit Kontern dagegen. Nach 76 Minuten kam Ponde für Debelko, der viel gearbeitet und sich etwas Ruhe verdient hatte.

Nach 83 Minuten kam dann der Schiedsrichter auf die Idee, dass der Strafstoß, der zuvor zum 0:2 geführt hatte, wohl doch etwas hart gewesen sei und entschied sich, das durch einen noch fragwürdigeren Elfmeterpfiff auf der anderen Seite zu kompensieren. Da war wirklich überhaupt nichts: Hutsulyak stand halt irgendwie im Weg und irgendjemand prallte von ihm ab. Aber etwas Zählbares kam dabei nicht heraus, Careca schoss den Ball weit übers Tor. Drei Minuten später hatte Di Franco Feierabend, und für ihn Yoda auf den Platz kam.

Und auch Hutsulyak durfte sich kurz danach seinen Applaus abholen, und Linksverteidiger Roman Slyva durfte sich noch einmal für ein paar Minuten zeigen. Um viel ging es jetzt ohnehin nicht mehr, aber Yoda dann doch noch einen Moment des Ruhms hatte, als er vor dem Strafraum sehr schön Shved auf seiner rechten Seite anspielte, der noch den Torwart und einen Abwehrspieler umkurvte, um dann seelenruhig zum 0:4 einzulochen. Bravo!

Das war natürlich ein Einstand nach Maß für Trainer Fabri, dem ja zuvor wirklich niemand etwas zugetraut hätte. Dass ein Sieg noch keine erfolgreiche Rückrunde bedeutet, dürfte andererseits auch allen klar sein, aber dennoch gab es heute verdient Grund zur Freude. Die Mannschaft hatte gegen eine nominal stärkere, aber auch etwas unter Wert spielende Mannschaft aus Poltava eine überzeugende Leistung gezeigt und dabei einen unerwartet hohen Sieg eingefahren.

Obwohl das Spielsystem auf dem Papier sehr offensiv aussah, bekamen wir nicht das gewohnte ungestüme Angriffsspiel zu sehen, das dem Gegner so oft schon das Kontern so leicht gemacht hatte, vielmehr ein sehr viel reifer wirkendes und kontrolliertes Aufbauspiel. Das war beeindruckend, aber bevor wir das zu sehr loben, sollten wir lieber erst einmal die nächsten Spiele abwarten und sehen, wie viel davon dann noch zu sehen sein wird.

Das Fehlen von Miroshnichenko (aus der ersten Mannschaft degradiert, da er seinen Vertrag nicht verlängern will) und Lebedenko (in der Winterpause zum CD Lugo gewechselt) wurde ohne echte Außenverteidiger kompensiert. Hinten standen drei hochgewachsene und erfahrene Innenverteidiger, davor mit Klyots und Hongla zwei defensive Mittelfeldspieler, und die offensiven Außenspieler Myakushko und Hutsulyak spielten diszipliniert genug, um nicht auf den Außenbahnen Platz für Konter zu erlauben. Klyots und Hongla bilden ein gutes Duo auf der Doppelsechs, vor allem letzterer bring trotz seines jungen Alters spürbar Klasse und Reife ins Spiel – gut, dass der Club eine Kaufoption für ihn hat, der kann sicher auch in der nächsten Saison noch richtig helfen.

In der Offensivabteilung war Di Franco als Linksaußen sicher eine Überraschung. Er erfüllte aber seine Aufgabe gut und wurde durch seinen Torerfolg belohnt. Überhaupt ist der Mann ein Phänomen: er kam als hängende Spitze, spielte dann im rechten und linken Mittelfeld, später sogar auf der 6, und nun als Linksaußen, auf all diesen Positionen konnte er überzeugen. Über Shved braucht man nicht viele Worte zu verlieren. Er war der auffälligste Spieler auf dem Platz und erzielte drei Treffer. Es ist ein Segen, dass er seiner Mannschaft noch zur Verfügung steht, und es wird nicht leicht sein, einen Ersatz zu finden, wenn er dann in der nächsten Saison bei Celtic ist.

Roman Debelko war fleißig wie immer, konnte aber keine großen Akzente setzen. Er wirkt nach seiner erfolgreichen Leihe selbstbewusster, aber da heute die Offensivaktionen seiner Mannschaft vor allem aus Kontern bestanden, kam das ihm als klassischem Strafraumstürmer natürlich nicht gerade entgegen. Aber aus dem Mann kann durchaus noch etwas werden.

Karpaty sind nun erst einmal wieder vom Relegationsplatz weg, auf den nach der gestrigen Niederlage Olimpik Donetsk abgerutscht ist. Das Erreichen der ersten 6 ist nur noch theoretisch möglich, man wird sich also auch dieses Jahr wieder auf ein Frühjahr in der Abstiegsrunde vorbereiten müssen, sollte sich aber nach der heutigen Leistung eigentlich keine Sorgen machen müssen.