Eigentlich hatten wir uns darauf eingestellt, dass der neugegründete Club keine Probleme mit der UEFA bekommen würde, doch einer Meldung von heute zufolge scheinen gerade Albträume wahr zu werden.

Wir erinnern uns: es gibt im internationalen Profifußball den Begriff der „sportlichen Nachfolge“. Geht ein Club unter, meist aufgrund finanzieller Probleme, kann ein neu gegründeter Club, selbst wenn Besitzer und Betreiber völlig andere Personen sind als die des alten, von der UEFA als dessen Nachfolger eingestuft werden, wenn einige Kriterien erfüllt sind, etwa Name, Farben, Wappen, Stadion usw.
Diese Thematik ist natürlich auch bei Karpaty diskutiert worden. Im Januar 2022 haben wir in einer ausführlichen Analyse diese Thematik untersucht und kamen damals zu dem Schluss, dass es – aus Sicht eines Nichtjuristen – durchaus plausibel scheint, dass die UEFA schließlich den neugegründeten FK Karpaty als den Nachfolger des untergegangenen PFK betrachten könnte, um die Schulden des alten Clubs vom neuen einfordern zu können.
Dem Vernehmen zufolge hatten sich die, die hinter dem neuen Club stehen, juristischen Rat geholt und so gut wie möglich gegen dieses Szenarien abzusichern. Jedoch berichtete heute Viktor Vatsko in seinem Videoformat, dass offenbar genau dieses Szenario nun eingetreten ist. Die UEFA habe bereits beschlossen, den neuen Club als den Nachfolger des alten zu betrachten und zur Begleichung der Schulden des alten haftbar zu machen. Bei Nichtbezahlung drohe das „übliche Sanktionspaket“ aus Transfersperre bis hin zum Entzug des Status als professioneller Club.
Mit anderen Worten: wenn die UEFA diesen Weg gegenüber den Grünweißen einschlägt, dann muss der Verein irgendwo 8 Mio Euro auftreiben, vor allem, um die noch offenstehende Transferzahlung an den FC Sevilla für Jorge Carrascal zu leisten. Dass Karpaty selber aus dem Transfer des Spielers an River Plate nicht die volle Summe erhalten haben, spielt hier keine Rolle. Viktor Vatsko zufolge habe der Verein bereits Protest eingelegt, jedoch seien Experten zufolge die Chancen, hierdurch etwas bewegen zu können, praktisch nicht existent.
Andererseits bereite sich der Verein bereits seit einer Weile auf dieses Szenario vor. Angeblich sei Clubeigentümer Volodymyr Matkivskyj sogar bereit, diese Schulden zu bezahlen. Viktor Vatsko stellt hierbei aber auch die Frage in den Raum, ob nicht die mit einer solchen Zahlung verbundene faktische Anerkennung der „Nachfolgschaft“ die Eigentümer des untergegangenen Clubs sogar stimulieren könnte, selber Forderungen an Matkivskyj zu stellen, da ja dessen Club praktsich der ihrige sei. Diese Argumentation scheint allerdings wenig plausibel, da eine „Nachfolge“ nicht „das selbe ist wie „identisch“ bedeutet.
Man könnte auch die Frage in den Raum stellen, ob nicht sogar in der Vergangenheit noch Zahlungen an den alten PFK Karpaty eingegangen sind. River Plate verkaufte vor einigen Jahren Carrascal weiter, wodurch eine Beteiligung am Erlös nach Lviv fällig wurde. Die Führung des alten Clubs – Oleh Smalijtschuk und Serhij Bolotnivkov hatten ja eigentlich genau diese Mission verkündet, als ihr Vorhaben, den Club zu „erneuern“, endgültig gescheitert war.
Aktuell finden wir keine offizielle Information zu diesem Thema. Allerdings ist Vatsko generell sehr gut vernetzt und informiert, weshalb es eher nur eine Frage der Zeit sein dürfte, bis Konkreteres bekannt wird.
Es gibt aber auch schon Kritik an der Darstellung Vatskos. Ein wenig nach Erscheinen seiner Kommentare postete Anwalt Serhij Koval auf Twitter einen Thread zum Thema, wo er eine andere Einschätzung vertrat:
[…] Nicht UEFA bestimmt darüber, wer Schulden erbt, hierfür gibt es die zuständigen Gerichte der DRC [Dispute Resolution Chamber] in der FIFA oder dem alleseits bekannten CAS [Court of Arbitration for Sport]. Die sind es, die Klagen prüfen und über die Anwendung der sportrechtlichen Nachfolge entscheiden …
Und es gibt auch Disziplinarinstanzen, die bereits die Einhaltung bestimmter Entscheidungen überwachen. Und es ist wichtig: Wir sprechen von einer Sportrechtsnachfolge, die möglicherweise nicht mit der klassischen übereinstimmt, da es sich um verschiedene juristische Personen mit unterschiedlichen Eigentümern, Adressen und Namen handelt.
Generell verstehe ich nicht, wie sich die Vorbesitzer zu den jetzigen verhalten und welche Ansprüche sie gegenüber irgendjemandem geltend machen können. Vielmehr kann sich die sportliche Nachfolge positiv auswirken: Karpaty können nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte erben: Entschädigungen, einen Mechanismus der Solidarität.
Auf jeden Fall ist dies nicht der erste Präzedenzfall, es stellt sich immer noch die Frage nach einem bekannten Verein mit Geschichte und einem flüchtigen Präsidenten. Aber das ist eine andere Geschichte. […]
https://twitter.com/sergii_koval/status/1727049425523257589
Generell dürfte eines deutlich sein: es gibt verschiedene Interpretationen einzelner Informationen, die irgendwo durchgesickert sind. Welche Entscheidungen am Ende getroffen werden, liegt nicht in den Händen der Karpaty-Verantwortlichen. In jedem Fall aber dürfte es notwendig sein, sich frühzeitig auf verschiedene Szenarien einzustellen, was in Lviv derzeit wohl auch schon getan wird.
