
Heute spielten Karpaty zu hause ihr drittes Spiel in der Abstiegsrunde gegen Chornomorets. Nach den Ergebnissen der letzten Wochen ging es unten in der Tabelle sehr eng zu: nur 3 Punkte zwischen den letzten 4 Positionen. Eine interessante Note gab dieser Begegnung auch die Verpflichtung von Oleksandr Hladkyj durch Chornomorets in der vergangenen Woche, der ja letztes Jahr um die selbe Zeit wesentlich dazu beigetragen hatte, Karpaty vor dem Abstieg zu retten, dann aber in der Hinrunde dieser Saison so schwach auftrat, dass sein in der Winterpause auslaufender Vertrag vom Club nicht verlängert wurde. Hladkyj kann bei guter Form in dieser Tabellenregion tatsächlich den Unterschied ausmachen, und es bleibt zu sehen, welche Leistungen er für seinen neuen Club wird abrufen können. Heute stand er allerdings aufgrund seines Fitnessrückstands noch nicht im Kader.
Karpaty spielten wieder einmal mit einem veränderten System (überhaupt ist es jedesmal interessant zu sehen, wie weit die offiziell angekündigten taktischen Aufstellungen von den tatsächlich gespielten abweichen), das wie ein 3:2:3:2 aussah: Shevchenko im Tor, davor eine Dreierreihe mit Fedetskyj wieder auf seiner gewohnten rechten Seite, zentral Sandokhadze und sehr ungewohnt links Miroshnichenko. Davor Verbnyj und Erbes im defensiven zentralen Mittelfeld, dann Di Franco, Carrascal und Hutsulyak, der aus der linken Verteidigung wieder ins linke Mittelfeld vorgerückt war, und schließlich eine Doppelspitze mit Myakushko und Shved. Nachdem das letzte Woche eigentlich ganz gut ausgesehen hatte, wurden im Sturm also wieder Tempo und Beweglichkeit der physischen Präsenz und (ja leider kaum je genutzten) Kopfballstärke von Akulinin der Vorzug gegeben. Die Bank bei Karpaty war mit Mysak, Lebedenko, Holodyuk, Vargas, Sanches, Akulinin und Remenyuk sehr offensiv. Nesterov und Lobaj fehlten aufgrund von Sperren.
Witterungsverhältnisse und Platz waren erstmals seit längerem wieder einigermaßen normal, und normales Passspiel war wenigstens möglich. Karpaty spielten ihr übliches Kombinationsspiel und schnürten nach rund 15 Minuten den Gegner praktisch komplett in seiner Hälfte ein, der sich nur sehr selten durch Konter befreien konnte. In der 20. Minute fiel dann, was wir alle schon seit Wochen nicht mehr kennen – der Führungstreffer für Karpaty. Carrascal zeigte, warum diverse “größere” Clubs aktuell auf ihn aufmerksam geworden sind (und warum es an ein Wunder grenzen dürfte, wenn er nächste Saison noch für Karpaty spielen sollte). Er lief mit dem Ball bis an die Grundlinie links vom gegnerischen Tor, an der Grundlinie entlang nach innen, tunnelte dabei einen Verteidiger und dann noch gleich den Torwart aus eigentlich unmöglicher Position.
Das brachte natürlich Erleichterung und Sicherheit. In der 25. Minute folgte jedoch ein Schock, Sandokhadze verletzte sich bei einem fairen Zweikampf ernsthaft – das sah nach einem Bänderriss aus – und hatte ganz offenbar große Schmerzen. Für ihn kam Linksverteidiger Orest Lebedenko herein, allerdings gab es nun keinen echten Innenverteidiger mehr auf dem Platz (und wir erinnern uns, Nesterov und Lobaj waren beide gesperrt). So wechselte Fedetskyj ins Zentrum und Miroshnichenko auf seine gewohnte rechte Außenposition. Es folgte eine kurze Drangphase von Chornomorets, die versuchten, die Umbesetzung der Verteidigungslinie auszunutzen, was aber folgenlos blieb, danach übernahmen Karpaty wieder das Kommando. Das sah alles wie immer ganz hübsch aus, blieb aber dann im Abschluss doch meist ungefährlich. Carrascal strahlte dabei noch die meiste Gefahr aus und hätte mit etwas Glück durchaus erhöhen können.
Aber Karpaty wären nicht Karpaty, wenn sie es nicht ohne Not selber wieder spannend machten. Bei einem Konter von Chornomorets wird der Ball ein wenig zu steil in den Strafraum gespielt, Torwart Shevchenko kommt aus dem Tor, wirft sich in den Ball und fängt ihn dabei, hat aber seine Beine so ungeschickt ausgefahren, dass der hinterherlaufende Stürmer dankbar darüber stolpert. Ich sehe hier eigentlich keinen Elfmeter, da Shevchenko ja den Ball hatte, aber gepfiffen wurde trotzdem, aber die Aktion war auf jeden Fall mehr als unnötig. Somit gab es gelb für Shevchenko, Elfmeter für Chornomorets und ein für die mehr als schmeichelhaften 1:1 zur Pause.
In der zweiten Hälfte ging es für Karpaty zunächst ohne Wechsel und auch im selben Stil weiter – sie besetzten den gegnerischen Strafraum und drängten auf einen erneuten Führungstreffer. Diese Bemühungen wurden schon bald, in der 51. Minute, belohnt: Di Franco spielte einem sehr gefühlvollen und exakten Steilpass in die linke Strafraumecke, Shved lief diagonal ein und schloss dann technisch beeindruckend direkt ab. Dieser Treffer war für Karpaty mehr als verdient, wobei die Führung eigentlich noch höher hätte ausfallen müssen. Es gab eine ganze Reihe guter Chancen, etwa in der 58. Minute, als Myakushko im Strafraum den Ball sehr schön von Carrascal den Ball durchgesteckt bekam, aber im Direktabschluss das Tor knapp verfehlte.
In der 71. Minute kam dann Catriel Sanches für Shved, der ein richtig starkes Spiel gemacht, aber gerade eine gelbe Karte gesehen hatte. Sanches hatte auch gleich eine Chance, verfehlte jedoch aus ähnlicher Position wie zuvor Myakushko knapp das Tor. Fast in der Folgeszene musste bei Chornomorets Chornyj mit Gelbrot vom Platz. Die noch verbleibende Spannung fand dann aber in der 84. Minute ein Ende – Sanches kam zu seinem ersten Tor, als er einen vom Torwart abgewehrten Ball aus schon nicht mehr ganz einfachem Winkel einschoss. Kurze Zeit später hätte er sogar noch erhöhen können, als er sich mit einem beeindruckenden Tempodribbling bis in den Strafraum spielte, dann aber das Tor verfehlte. Am Ende blieb es beim hochverdienten 3:1-Sieg, welcher aufgrund der heute gesehenen Leistungen eigentlich immer noch um 2 Tore zu niedrig ausfiel.
Fazit: Endlich gab es mal wieder einen Dreier. Der Sieg war hochverdient, und es machte Spaß, das Spiel anzusehen. Das sahen auch die Fans so, bei denen die Kritik an “Los Karpatos” merklich leiser geworden ist. Die heutige Leistung sollte man allerdings auch nicht überbewerten, da Chornomorets wenig Gegenwehr leistete. Bei einem frühen Rückstand, wie wir es in dieser Saison so oft gesehen haben, hätte es durchaus auch anders aussehen können. Da das zeitgleiche Spiel zwischen Zirka und Oleksandriya 0:0 ausgegangen war, sind jetzt Karpaty mit Zirka punktgleich, haben aber ein schlechteres Torverhältnis, so dass sie bis morgen erst einmal auf dem 10. Platz stehen. Wenn man die Kader und die Leistungen der letzten Zeit betrachtet, sind Chornomorets, Zirka und Stal’ die Teams, die Karpaty schlagen muss, um erstklassig zu bleiben. Olimpik und Oleksandriya dürften mit dem Abstieg wohl eher nichts zu tun haben.
Mann des Tages war wieder einmal Carrascal, der ein wunderschönes 1:0 erzielt hatte und überhaupt ein ständiger Gefahrenherd war. Auffällig war auch Shved, der mir aktuell besser gefällt als der eigentlich höher bewertete Sturmpartner Myakushko. Die Einwechselung von Catriel Sanches war zunächst eine Überraschung – ich hätte eigentlich den erfahreneren bolivianischen Nationalspieler Rodrigo Vargas erwartet – aber doch eine erfreuliche. In den paar Minuten, die er auf dem Platz stand, hatte er einige sehr sehenswerte Szenen und zeigte, dass er technisch stark ist und Tempo hat.
Im zentralen Mittelfeld spielte Erbes wieder solide. Es zeichnet sich ab, dass er kein Typ ist, der Tissone ersetzen kann, der ja auch in der Spieleröffnung richtig stark war. Generell scheint er aber mit dem für mich etwas stärkeren Verbnyj gut zu harmonieren.
Nach der Verletzung von Sandokhadze, die wohl längerfristig sein dürfte, hat die Mannschaft aktuell nur noch zwei erfahrene Innenverteidiger. Die Dreierkette aus Miroshnichenko, Fedetskyj und Lebedenko hat ihre Sache heute zwar ganz gut gemacht, es bleibt aber zu bezweifeln, ob das gegen einen stärkeren Gegner auch gelingen würde. Es ist zu vermuten, dass Senytsya aus der zweiten Mannschaft nachrücken wird, der aber, wie sich früher in dieser Saison schon gezeigt hatte, noch nicht ganz reif ist für die UPL. Abgesehen davon war es aber auch schön, Lebedenko einmal wieder auf dem Platz zu sehen, der wieder einige schöne Ausflüge in die gegnerische Hälfte zeigte und sicher das Potential hat, auf höherem Niveau zu spielen.
Im Tor erhält ja aktuell Shevchenko im Tor den Vorzug vor Pidkivka. Dass letzterer aktuell in der zweiten Mannschaft spielt, ist aus meiner Sicht kein Anzeichen dafür, dass er in der internen Hackordnung von Mysak überholt wurde, sondern eher dafür, dass er Spielzeit erhalten soll, die er ja auf der Bank bei der ersten Mannschaft nicht hätte. Ich sehe leistungsmäßig zwischen Shevchenko und Pidkiwka keinen Unterschied. Beide sind gute Torhüter. Das, wofür man Shevchenko aktuell bevorzugen dürfte, nämlich Reife und Erfahrung, hat er bei seinem Stunt im eigenen Strafraum, der zum Elfmeter führte, allerdings heute nicht gerade gezeigt.
Wir erinnerun uns, dass der ja schon längst gefeuerte Trainer Sergio Navarro seinerzeit eingestellt worden war, um der Mannschaft einen “spanischen” Stil beizubringen. Ein bisschen kann man das zur Zeit durchaus beobachten. Es wird vorwiegend flach gespielt und gern mit kurzen Pässen und Dribblings nach vorn kombiniert, und man hat mit Shved, Myakushko, Hutsulyak und Miroshnichenko durchaus auch ukrainische Spieler im Kader, die technisch in der Lage sind, diesen Stil zu spielen. Freilich ist der Mangel an Effizienz immer noch ein kritisches Problem. Gegen den heutigen Gegner war das kein Problem, aber gegen konterstarke Mannschaften – wie sie ja auch Olimpik aber auch Zirka sind – hat das in dieser Saison schon viele Punkte gekostet.