Oleksandriya – Karpaty: 1:1

Heute spielten Karpaty ihr zweites Spiel in der Abstiegsrunde auswärts bei Oleksandriya. Vor Spielbeginn stand die Mannschaft auf dem letzten Platz, da gestern Stal’ auswärts bei Chornomorets gewonnen hatte.

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Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Gespielt wurde heute in einem klassischen 4:4:2. Im Tor stand wieder Shevchenko, die Viererkette bestand aus Miroshnichenko, Nesterov, Lobaj und Hutsulyak. Im Mittelfeld standen Carrascal, Verbnyj, Erbes und Di Franco, davor spielten Myakushko und Shved als Doppelspitze. Nach der gelbroten Karte für Akulinin am letzten Wochenende wurde also darauf verzichtet, einen echten Neuner aufzubieten. Pidkiwka hatte in der zweiten Mannschaft gespielt und war nicht im Aufgebot, Fedetskyj nur Ersatz, ebenso wie Holodyuk und Lebedenko die heute zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder im Kader standen. Neuzugang Christian Erbes hatte sein erstes Spiel heute neben Verbnyj im zentralen defensiven Mittelfeld.

Das Spiel fand bei -8° bei leichtem Schneefall statt, der Platz wirkte zunächst einigermaßen ordentlich geräumt, dürfte aber dennoch nicht normal bespielbar gewesen sein. Die erste halbe Stunde verlief eigentlich wie alle Karpaty-Spiele der letzten Wochen: Karpaty hatten mehr Ballbesitz und spielten ganz ansehnlichen Fußball, freilich jedoch, ohne wirklich Gefahr vor dem Tor zu erzeugen, während Oleksandriya zu Kontern kam, die dann stets gefährlich waren. Die erste richtige Torchance hatten auch die Gastgeber, die nach einem Freistoß, der ein Durcheinander im Karpaty-Strafraum schaffte, das Tor hätten treffem müssen – der Ball ging aber aus 6 Metern über das Tor, was kaum einer glauben konnte.

Während der ersten Halbzeit nahm der Schneefall stetig zu, was zusätzlich zum nicht ganz idealen Untergrund auch zunehmend die Sicht behinderte. Gerade in der letzten Viertelstunde merkte man den Spielern an, dass sie große Mühe hatten, normalen Spielaufbau zu betreiben. Das behinderte Karpaty ein wenig dabei, ihr übliches Passspiel aufzuziehen. Es ging ohne Tore in die Halbzeitpause.

Nach der Pause war der Platz schon weiß von Schnee. Den Ball laufen zu lassen, wurde immer weniger eine Option, und so entwickelten sich die meisten Möglichkeiten aus Einzelaktionen, Weitschüssen oder Zufall. Ein wenig profitierten die beiden schnellen und dribbelstarken Spitzen bei Karpaty, Shved und Myakushko, die einige Male gefährlich vor dem Tor des Gegners auftauchten.

Das erste Tor fiel dann wie so oft gegen Karpaty. Ein Freistoß aus dem Mittelfeld wurde an die rechte Strafraumgrenze geschlagen, von dort vor den Fünfmeterraum und von da ins Tor geköpft. Es gab einen leichten Verdacht von Abseits, was aber auch aus der Wiederholung nicht klar zu sehen war, wodurch man dann ja im Zweifelsfall für den Angreifer entscheidet. In der 75. Minute kam Sanches für Myakushko, somit also ein echter Stürmer für einen offensiven Mittelfeldspieler. Ohne, dass das jetzt einen direkten Einfluss gehabt hätte, fiel in der 77. Minute der Ausgleich für Karpaty – nach schöner Vorarbeit von Verbnyj schoss Shved aus 5 Metern ein. Nun war das Spiel wieder offen, und Karpaty drängten auf den Führungstreffer.

Nach 82 Minute kam Holodyuk zu seinem ersten Einsatz nach langer Verletzungspause, für ihn ging Di Franco vom Platz. Der Wechsel dürfte eine Stabilisierung beabsichtigt haben, da Holodyuk von den beiden eher ein defensiverer Spieler ist. In der Folge nahm auch tatsächlich der Druck bei Oleksandriya zu, die Karpaty in ihrer Hälfte für einige Minuten ziemlich festnagelten. Es kam zu gleich mehreren großen Chancen hintereinander, wobei auch Karpaty nach schönen Kontern jeweils durch Shved in der 91. Minute und noch einmal in der 94. Minute beinahe zu einem Tor gekommen wären.

Fazit: Dank des einen Punktes ist die rote Laterne erst einmal an Chornomorez abgegeben. Karpaty zeigten heute trotz der schlechten Witterungsverhältnisse ein ordentliches Spiel und waren einem Sieg näher als der Gegner. Sie wirkten vor dem Tor etwas gefährlicher als noch in den letzten Wochen, nicht zuletzt, weil Myakushko, Shved und Carrascal ihr Tempo und ihre Dribbelstärke im Angriff gut ausspielen konnten und den Gegner immer wieder vor große Probleme stellten. Die Abwehr ist nach wie vor anfällig für Konter, und das Gegentor nach einem Freistoß aus dem Mittelfeld hätte so nicht fallen dürfen, da fehlte es einfach an Konzentration und Aufmerksamkeit. Ob das Spielsystem ohne Neuner sich halten kann, wird sich zeigen. Für mich hatte das heute durchaus einen gewissen Charme, da bei einer Spielweise, die vor allem auf flachem Passspiel aufbaut, ein eher unbeweglicher langer Mittelstürmer wie Akulinin ganz einfach verhungert und nicht die Bälle kriegt, bei denen er seine Stärken ausspielen könnte.

Zur individuellen Leistung der Akteure ist zu sagen, dass für mich Carrascal heute der beste Mann auf dem Platz war. Er war immer anspielbar, durch seine Dribblings gefährlich und spielte einige gute Pässe. Außerdem machte Shved eine gute Figur, der noch mehr als Myakushko immer wieder mit seiner Schnelligkeit für Gefahr sorgte. Leider fehlt ihm wie auch seinen Mitspielern immer noch der Killerinstinkt – aus den zwei Kontern in der Nachspielzeit hätte eigentlich mindestens ein Tor fallen müssen. Von Erbes habe ich allein aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse nicht viel gesehen, da ist noch kein Urteil möglich.

In der vergangenen Woche hatte es einige Diskussion gegeben um einen öffentlichen Appell einer Ultra-Gruppe an Rukh-Präsident Hryhoryj Kozlovskyj, Karpaty zu übernehmen und den Niedergang des Clubs, den sie auch dem großen Anteil südamerikanischer Legionäre anlasteten, zu stoppen. Andere Gruppierungen wandten sich später ihrerseits an die Öffentlichkeit und erklärten, dass dieser Vorstoß nicht repräsentativ für die Karpaty-Fans sei.

Wenn ich die Leistungen der Südamerikaner bei Karpaty in den letzten Wochen betrachte, muss ich sagen, dass es sehr ungerecht ist, die Schuld an der schlechten sportlichen Lage bei diesen Spielern zu suchen. Carrascal ist seit Wochen fast immer der stärkste Spieler seiner Mannschaft gewesen, geht keinen Zweikämpfen aus dem Weg und ist in jeder Beziehung ein Vorbild. Für Di Franco gilt ähnliches. Den Kern der Mannschaft stellen dennoch Spieler aus der Karpaty-Schule. Obwohl die Nachwuchsarbeit bei Karpaty im nationalen Vergleich ziemlich gut ist, gibt es zur Zeit keine Spieler von der Qualität eines Carrascal in den eigenen Reihen. Die ganze Mannschaft kämpft für den Klassenerhalt und verdient meiner Meinung nach die bedingungslose Unterstützung der Fans. Sollte die derzeitige Spielkultur noch etwas an Effektivität gewinnnen, sind, falls der Klassenerhalt gelingt, in Zukunft durchaus höhere Ziele denkbar.