Heute spielten im letzten Gruppenspiel der Abschiedsrunde Karpaty zu hause gegen Stal’. In diesem Spiel ging es für beide Mannschaften ums Überleben – Karpaty wollten ihren Dreipunktevorsprung auf den 10. Platz, der Relegation bedeutet, verteidigen, während Stal’ im Fernduell mit Chornomorets’, die parallel Zirka empfingen, versuchte, sich vom sicheren Abstiegsplatz 12 wenigstens auf den Relegationsplatz 11 zu retten. Beide Mannschaften, Karpaty und Stal’ haben eine ähnliche, ein flüssiges Passspiel bevorzugende, Spielanlage, wobei normalerweise Karpaty stärker ist, aber was war heute schon normal.

Beide Mannschaften hatten Personalsorgen, die gravierenderen aber wohl Karpaty, bei denen das Herz der Mannschaft, Jorge Carrascal, sowie der erfahrene zentrale Mittelfeldspieler Christian Erbes und Verteidiger Ivan Lobaj wegen Sperre ausfielen. Entsprechend fanden sich heute auch einige ungewohnte Namen im Kader. Das Spielsystem war das mittlerweile gewohnte 3:4:1:2 mit Shevchenko im Tor, Miroshnichenko, Fedetskyj und Lebedenko als Dreierkette, davor Myakushko, Verbnyj, Routinier Holodyuk und Hutsulyak im Mittelfeld, Di Franco als hängende Spitze und Remenyuk und Shved vorn.
Auf der Bank saßen Torwart Mysak, Verteidiger Stasyshyn aus der Jugendmannschaft und Sandokhadze, der offenbar nach seinem Bänderriss nun wenigstens für die Ersatzbank wieder fit genug war, dann Mittelfeldspieler Chachua und Klyots’ und die Stürmer Sanchez und Vargas. Es tummelte sich also sowohl auf dem Platz als auch auf der Bank allerlei junges Volk.
Das Spiel begann mit deutlicher Dominanz der Hausherren, die durch einige Einzelaktionen des schnellen Remenyuk einige Male gefährlich in den gegnerischen Strafraum kamen. Stal’ wirkte in dieser Phase spielerisch nicht in der Lage, mit spielerischen Mitteln dagegen zu halten. Linksverteidiger Lebedenko tat einige Male, was er besonders liebt und was bei einer Dreierkette hinten durchaus riskant ist, nämlich Flankenläufe auf der linken Seite zu starten. Das sorgte für einige Gefahr, etwa in der 15. Minute, als Shved eine seiner Flanken volley abnahm, das Tor dabei aber verfehlte. Nach 23 Minuten hätte Lebedenko beinahe selber verwandelt, als er sehr schön von Shved aus dem Sturmzentrum auf die linke Strafraumgrenze angespielt wurde und direkt abnahm.
In der 37. Minute gingen dann Karpaty in Führung, und es war fast schon logisch, dass der Torschütze Orest Lebedenko hieß. Dem Tor ging ein Freistoß im Mittelfeld voraus, nach dem Shved mit dem Ball auf den Strafraum zulief und dann schräg nach links hinaus spielte, wo Lebedenko wartete, noch ein paar Meter ging und dann gelassen wie ein alter Sack flach ins linke Eck einschoss. Natürlich war dieses Tor nur durch katastrophales Stellungsspiel der Stal’-Abwehr möglich, die nur die Mitte zuzustellen versuchte und auf ihrer rechten Abwehrseite alles offen ließ. Aber derartiges kommt uns Karpaty-Fans ja auch nicht unbekannt vor.
Es folgte ein schön vorgetragener Gegenangriff von Stal’, dem ihr wohl erster Torschuss dieses Spieles folgte, den Torwart Shevchenko aber ohne größere Mühe abwehren konnte. Kurz vor der Pause holte sich dann noch Hutsulyak eine völlig verdiente gelbe Karte für ein Foul, und das war dann auch schon alles Berichtenswerte aus der ersten Hälfte, die ebenso verdient mit einem 1:0 für Karpaty ausklang.
Die zweite Hälfte begann ohne personelle Änderungen bei Karpaty. Auch das Spiel begann ähnlich, wie es in der ersten Hälfte aufgehört hatte, wobei Stal’ etwas mehr Spielanteile hatte. Das Spiel ging entsprechend hin und her, wobei die besseren Chancen nach wie vor Karpaty hatten, etwa in der 55. Minute, als Shved aus 5 Metern am herauslaufenden Torwart scheiterte. Währenddessen ging in Odessa Chornomorets gegen Zirka in Führung, was natürlich eine gute Nachricht für Karpaty und eine schlechte für Stal’ war.
Nach 61 Minuten stand es dann 2:0 für Karpaty. Maryan Shved hatte sich ganz im Stil des heute abwesenden Carrascal kurz vor dem Strafraum den Ball erobert und spielte diagonal nach rechts, wo Myakushko dann mit einem flachen Schuss ins linke Eck abschloss. Hiermit war – was die Frage nach der Abschlusstabelle betrifft, eigentlich die letzte Frage schon beantwortet, zumal im parallelen Spiel nach wie vor Chornomorets’ die klar bessere Mannschaft war (was einen angesichts des starken Auftritts Zirkas gegen Karpaty letzte Woche schon erstaunen konnte).
In der 65. Minute kam dann Vargas für Remenyuk und in der 74. Dmytro Klyots’ für Oleh Holodyuk, der Christian Erbes gut vertreten hatte. Vier Minuten später kam dann auch Maryan Shved zu seinem Tor. Karpaty hatten allen Platz der Welt, um sich vor und im gegnerischen Strafraum die Bälle zuzuspielen, und Shved schloss schließlich aus 5 Metern nach einer Flanke von Vargas ab. Das war nun schon zu einfach – Stal’ hatte das Verteidigen einfach eingestellt und hoffte offenbar, sich wenigstens noch mit einem Ehrentreffer aus der Liga verabschieden zu können. Es blieb am Ende bei einem hochverdienten 3:0-Sieg.
Karpaty haben ihren Vorsprung auf den Relegationsplatz aus eigener Kraft und souverän durch den letzten Spieltag gebracht und bleiben oben. Das ist nach der wieder einmal einigermaßen turbulenten Saison zumindest ein Erfolg, wenn auch die Platzierung angesichts der zu Beginn der Saison verkündeten hochfliegenden Pläne wieder einmal weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Die Mannschaft hat aber immerhin deutlich gemacht, dass sie einiges Potential hat und – sollte sie einigermaßen zusammen bleiben – durchaus mal an der Tür zu den oberen 6 wird kratzen können.
Leider ist davon auszugehen, dass die wichtigsten Leistungsträger der aktuellen Mannschaft den Club schon bald verlassen werden. Carrascal, der ja mit Kaufoption geliehen ist, wird vermutlich zunächst verpflichtet und dann bald verkauft werden, wenn es gut läuft, haben wir wenigstens noch die nächste Hinrunde etwas von ihm. Die Spanien-Heimkehrer Hutsulyak und Shved haben nach einigen Anlaufschwierigkeiten einige Male zeigen können, warum sie zuvor überhaupt zu Verträgen in Spanien gekommen waren, und auch sie sind früher oder später Verkaufskandidaten. Da der Club sich offenbar darauf ausrichtet, sich über Weiterverkauf von Spielern zu finanzieren, werden wir auch sonst nicht zu viel Konsistenz im Kader erwarten dürfen.
Am heutigen Abend war sicher Maryan Shved der Mann des Tages, der zwei Tore vorbereitet und das dritte erzielt hatte. Er wirkte entschlossen, die Lücke, die durch die Sperre von Carrascal entstanden war, zu füllen und zeigte sich nach seiner schwachen Leistung letzte Woche wie ausgewechselt. Interessant fand ich auch, den bolivianischen Nationalspieler Rodrigo Vargas einmal länger als nur ein paar Minuten zu erleben. Der Mann ist beweglich, dribbelstark und schnell, könnte durchaus zu einer ernsthaften Verstärkung der Mannschaft werden.
Dass ich von Orest Lebedenko eine Menge halte, ist ja kein Geheimnis. Es hat unter dem aktuellen Trainerteam leider nur selten gespielt, was sicher auch seiner Jugend zuzuschreiben ist; gleichzeitig dürfte er aber auch ein Opfer des aktuellen Spielsystems sein, da sein offensiver Stil für ein System mit einer Dreierkette einfach zu riskant ist. Ich hoffe aber, dass er dennoch immer wieder zu Einsatzzeiten kommt, denn das, was er heute auch wieder gezeigt hat, war schon mitunter sehr sehenswert. Heute hat er einen bärenstarken Auftritt hingelegt und ein schönes Tor hingelegt. Freilich war der Gegner heute auch kein wirklicher Prüfstein.
Um Stal’ tut es mir ein wenig leid, denn eine Mannschaft, die versucht, richtigen Fußball zu spielen, ist mir immer lieber als eine, die sich nur hinten hineinstellt. Aber sie waren heute wieder viel zu schwach. Für Karpaty ist die Saison nun beendet, und wir können uns schon auf ein Transferkarussell voller Überraschungen, Gerüchte, Skandale und irre Personalentscheidungen freuen.