Dynamo – Karpaty: 0:2

Heute spielten Karpaty ihr zweites Auswärtsspiel der Saison bei Dynamo. Nach dem Unentschieden bei Desna und danach der Heimniederlage gegen Arsenal war der Druck auf Trainer Morais schon erheblich gewachsen, und bei diesem Auswärtsspiel, das neben dem bei Shakhtar eines der beiden schwersten der Liga ist, musste irgendwie das unmögliche möglich gemacht werden.

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Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Man war schon vor Beginn gespannt, wie Trainer Morais wohl dieses Mal die Mannschaft aufstellen würde, denn offenbar hat er einige andere Vorstellungen als Vorgänger Oleh Boychyshyn, was man letzte Woche auch schon sehen konnte. Tatsächlich handelte es sich aber wieder um das gleiche 4:3:3 wie letzte Woche, wenn auch mit einigen personellen Veränderungen. Im Tor stand wie gewohnt Kuchynskyj, davor die Viererkette bildeten Miroshnichenko, Kovtun, Mehremic und Lebedenko, das Dreiermittelfeld bestand aus Erbes, Carrascal und Di Franco, die Sturmreihe aus Shved, Hutsulyak und Myakushko. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Hutsulyak heute zum ersten Mal wieder in seiner eigentlich ursprünglichen Position als Mittelstürmer spielte, nachdem er unter Boychyshyn zum Mittelfeldspieler “umgeschult” worden war. Das war eine nachvollziehbare Entscheidung vor dem Hintergrund, dass bei einem System mit Flügelspielern und Mittelstürmer ein Spieler mit physischer Präsenz und Kopfballstärke benötigt wird – und das hat Hutsulyak beides.

Auf der Bank saßen Torwart Penkov, Verteidiger Borodaj, Mittelfeldspieler Klyots, Verbnyj und Mendez sowie die Angreifer Vargas und der neue Brasilianer, William De Camargo.

Die erste Chance hatte Dynamo schon nach 3 Minuten, und der Ball hätte im Tor sein müssen. Eine schöne und schnelle Kombination, die die Abwehr völlig überforderte, endete – glücklich für Karpaty – in etwas, das sich nicht zwischen einem Torschuss ins linke Eck und einem Querpass im Fünfmeterraum entscheiden konnte, so dass der Ball vom Pfosten ins Tor zurückprallte. Das war natürlich ein Schock, von dem man sich erst einmal erholen musste. Anschließend beruhigte sich das Spiel ein wenig, und nach 8 Minuten kamen Karpaty zum ersten Mal zu einer Möglichkeit, als Myakushko zu einem Freistoß ansetzte, der allerdings in der Mauer landete.

Fortan übernahm Dynamo das Kommando, hatte mehr Ballbesitz und drängte Karpaty in die eigene Hälfte. Das war in der Form auch zu erwarten gewesen, ist aber dennoch für die Mannschaft eine eher ungewohnte Situation, da sie eigentlich in allen bisherigen Saisonspielen bis auf die unglückliche Niederlage gegen Zoriya selber mehr Ballbesitz hatten und dominierten.

Es kam zu einer ganzen Reihe von gefährlichen Momenten vor dem Karpaty-Tor, aber vorerst gelang es mit einigem Glück, das Tor sauber zu halten. Aus einer solchen Situation, wo fast ein Tor für Dynamo gefallen wäre, entwickelte sich dann völlig überraschend eine Chance für Karpaty, als nach einem Konter Carrascal einen Innenverteidiger ausspielte und dann etwas zu unplatziert abschloss, der abprallende Ball dann aber einem anderen Karpaty-Spieler vor die Füße fiel, der ihn aber auch nicht im Tor unterbringen konnte.

Karpaty, die selber die meisten Tore durch Konter kassierten, fanden sich nun selber plötzlich in der Rolle der Kontermannschaft wieder, und das funktionierte bis zu diesem Moment ganz ausgezeichnet, so ausgezeichnet, dass sie in der 17. Minute nach einem Konter sogar in Führung gingen. Myakushko bekam den Ball und sprintete auf der linken Seite bis zur Grundlinie, von wo er den Ball hart durch den Fünfmeterraum direkt Shved in die Füße spielte, der aus kurzer Distanz sicher abschloss. Das war natürlich eine Überraschung, aber es waren ja noch rund 70 Minuten zu spielen.

Dennoch blieb Dynamo natürlich gefährlich, und die Einschläge kamen auch langsam näher. Die allermeisten Angriffe endeten erst im Karpaty-Strafraum, entschieden zu nah am eigenen Tor, so dass ein Ausgleichtreffer eigentlich stets in der Luft lag. Karpaty verteidigten zum Teil mit Glück, zum Teil mit Geschick und konterten, wenn sich eine Gelegenheit bot. Das lief so weiter bis kurz vor dem Pausenpfiff, und als alle schon gedanklich in der Umkleidekabine waren, stand es plötzlich 0:2, und wieder war der Torschütze Maryan Shved. Das Tor entsprang wieder einer Kontersituation, Carrascal hatte ihn perfekt an der rechten Strafraumecke angespielt, er umkurvte noch eien Abwehrspieler und schloss mit einem schönen Schuss ins linke Dreieck ab.

Die zweite Hälfte begann entsprechend ganz ungewohnt nicht mit einem Rückstand, sondern ganz im Gegenteil mit einem Vorsprung von zwei Toren, und Dynamo war natürlich von diesem Zwischenstand vollkommen geschockt. Ansonsten begann aber die zweite Hälfte so, wie es den größten Teil der ersten Hälfte über ausgesehen hatte: Dynamo hatte mehr Ballbesitz und attackierte. Karpaty überstanden einen Freistoß aus aussichtsreicher Position in der 47. Minute, einen weiteren von links in den Strafraum in der 53., und sie schafften es irgendwie immer noch, ein Bein dazwischen zu bekommen. Nach 55 Minuten musste Mehremic mit gelbrot vom Platz. Nach einem unnötigen Ballverlust eilte er hinterher und erkämpfte sich kurz vor dem Strafraumrand den Ball zurück, wobei er den Gegenspieler bei angelegtem Arm mit den Schultern rempelte, der dankbar zu Boden purzelte. Es war eine mehr als strittige Entscheidung, hier überhaupt Foul zu pfeifen, eine klare Benachteiligung der Gäste. Um die Lücke in der Abwehrreihe zu schließen, ging der bereits gelbbelastete Carrascal vom Platz, und für ihn kam Borodaj, der den Platz in der linken zentralen Verteidigung einnahm.

Es folgte ein Powerplay von Dynamo, wo Kuchynskyj eine ganze Reihe sehenswerter Paraden zeigte. Karpaty kamen kaum noch aus ihrer Hälfte heraus. Nach 66 Minuten stand es immer noch 0:2, und es folgte der zweite Wechsel bei Karpaty – Klyots kam für Shved, sollte also ganz offensichtlich im Mittelfeld für weitere Sicherung sorgen. Hustulyak, der schon einige Male im Spiel angeschlagen gewesen war, blieb als einzige Spitze. Es blieb dennoch beim Druck Dynamos, und es waren schon einige Chancen dabei, die wirklich zu einem Tor hätten führen müssen. Je länger das Spiel dauerte, desto mehr erinnerte es an das lustige Scheibenschießen ohne zählbares Ergebnis letzte Woche bei der Heimniederlage gegen das andere Team aus der Hauptstadt – Arsenal.

Nach 74 Minuten ging es für Hutsulyak nicht weiter. Für ihn kam aber kein Stürmer, sondern Nazar Verbnyj, der wie auch der zuvor eingewechselte Klyots ein Mann für das defensive Mittelfeld ist. Es ging jetzt also nur noch um das Halten der Führung, und da Konter ohnehin schon seit einer ganzen Weile nicht stattgefunden hatten, verzichtete man eben ganz auf den Sturm. Es wurde auch nicht einfacher, nach 79 Minuten war auch Erbes angeschlagen, musste aber wohl oder übel weiter machen, da ja schon drei mal gewechselt worden war. Es war keine Überraschung, dass in dieser Phase kaum noch Fußball gespielt wurde. Es gab immer mehr Unterbrechungen wegen Verletzungen, teils sicher übertriebener, um Zeit zu schinden, aber wohl auch einiger echter, da natürlich immer mehr erschöpfungsbedingte Krämpfe hinzu kamen. Dynamo rannte derweil immer verzweifelter an und suchte sein Glück in langen und hohen Bällen in der Hoffnung, dass wohl jemand an der rechten Stelle stünde.

Nach 96 Minuten war es dann vorbei. Karpaty hatten geradezu sensationell 2:0 auswärts bei Dynamo gewonnen, und Trainer Morais hatte seinen ersten Dreier.

Der heutige Sieg ist natürlich ein Grund zum Feiern, aber gleichzeitig sollte er keinen Anlass geben, zu euphorisch zu werden. Karpaty haben heute mit ähnlich viel Glück gewonnen, wie sie letzte Woche mit viel Pech verloren haben – Dynamo war in gewisser Weise ein Spiegelbild von Karpaty, wie sie gegen Arsenal verloren hatten. In 9 von 10 Spielen dieser Art hätte Dynamo deutlich gewonnen. Dennoch gibt es einige interessante Beobachtungen zu machen.

Die Abwehrreihe hat unter großem Druck zunehmend sicher gespielt. Da ohnehin der Gegner spielbestimmend war, gab es gar nicht erst einen Grund, aufzurücken und die Abwehr zu entblößen, dadurch war es – ähnlich wie gegen Zoriya – für den Gegner erheblich schwieriger, sich “Hundertprozentige” zu erarbeiten. Natürlich war einiges Glück dabei, aber die Abbwehr zeigte auch einen beeindruckenden Einsatz. Schmerzhaft war der Platzverweis für Mehremic, der erneut sehr stark gespielt hatte, vor allem, weil es eine Fehlentscheidung war. Er wird im nächsten Punktspiel also fehlen. Andererseits haben sowohl Kovtun als auch Borodaj gezeigt, dass sie gut genug für die Startelf sind.

Das Dreiermittelfeld war dadurch, dass Di Franco auf der linken Seite spielte und Carrascal die Zehn besetzte, deutlich agiler als letzte Woche noch mit Holodyuk und Erbes hinter Di Franco. Carrascal hatte durch seinen Pass das 0:2 vorbereitet und war auch sonst wieder mit vollem Einsatz dabei, was ihm dann auch seine gelbe Karte eingebracht hatte.

Die Besetzung der Offensive mit Shved, Hutsulyak und Myakushko war ein glücklicher Griff des Trainers. Hutsulyak ist der Typ Spieler, der bei einem solchen System im Zentrum benötigt wird, und auch wenn er kein Tor erzielte, war seine Präsenz vorn von Wichtigkeit. Myakushko mit seiner Vorbereitung und Shved mit seinen zwei Toren waren natürlich beide Volltreffer.

Am nächsten Wochenende ist ja bedingt durch Länderspiele in der Liga Pause, was Karpaty zu einem Freundschaftsspiel in Polen nutzen werden. Das ist sicher eine gute Idee, da Trainer und Mannschaft sich noch besser kennenlernen und die Spieler die Ideen des Trainers umzusetzen lernen müssen. Im nächsten Ligaspiel, am 15. September, geht es dann zu hause gegen Vorskla, das wird dann das erste Spiel wieder unter “Normalbedingungen” sein.