Heute spielten Karpaty auswärts bei Mariupol. Letzte Woche hatte es eine 1:6 Heimklatsche gegen Shakhtar gegeben, und statt eines Platzes unter den ersten 6 stehen die Zeichen im Moment auf Abstiegskampf. Immerhin war Mariupol anders als der Gegner der letzten Woche sportlich auf Augenhöhe.

Die Aufstellung bot wieder einige Überraschungen. Das Spielsystem war irgendwie etwas wie ein 4:3:3 (Vereins-Webseite) oder 4:1:4:1 (Fernsehsender), allerdings fehlten einige prominente Namen. Im Tor stand wieder Shevchenko, in der Abwehr gab es mit Fedestkyj, Kovtun, Borodaj und Mehremic keine Veränderungen, im Mittelfeld aber standen Erbes, Klyots und Di Franco, im Sturm Shved, Hutsulyak und Mendez.
Auf der Bank saßen Kuchynskyj, Miroshnichenko, Holodyuk, Carrascal, Vargas, Myakushko und Ponde, es standen also mit Carrascal und Myakushko zwei sonst gesetzte Stammkräfte nicht in der Anfangsformation.
Die erste Chance des Spiels hatte nach 2 Minuten Mariupol mit einem Freistoß von der linken Strafraumecke, der aber von der Karpaty-Abwehr herausgeköpft werden konnte, gleich eine Minute später wurde es schon wieder gefährlich im Fünfmeterraum, als Shevchenko eine halbhohe Flanke gerade noch erwischte. Mariupol begann sehr offensiv und ließ in den Anfangsminuten die Gäste nicht ins Spiel kommen. Das erste Mal vor das Tor der Gastgeber kamen Karpaty dann nach 6 Minuten, als sie zu zwei Ecken kamen, die aber ebenfalls nichts einbrachten.
Etwas überraschend fiel nach 12 Minuten die Führung für Karpaty. Nach einem Foul an der Strafraumgrenze durfte Hutsulyak in Abwesenheit von Myakushko den Freistoß treten, der den rechten Pfosten streichelte und ins Tor ging. Das war natürlich ein Auftakt nach Maß. Das Spiel war daraufhin ausgewogener, sogar mit leichten Vorteilen für Karpaty. Allerdings fehlten auf beiden Seiten ein wenig die ganz großen Momente, es ging hauptsächlich zwischen den Strafräumen hin und her.
Ein besonderes Lob gebührt dem Schiedsrichter, der nach 42 Minuten auf eine lupenreine Schwalbe von Churko nicht hereinfiel und dafür auch noch gelb wegen Simulation zeigte. So blieb es bei der knappen Führung für Karpaty. So ging es nach einer insgesamt mäßigen ersten Halbzeit in die Pause.
Karpaty kamen ohne Wechsel aus der Kabine, und in den ersten Minuten hatten sie auch gleich zwei Chancen durch Hutsulyak und Shved, aber das Tor erzielte Mariupol – nach 51 Minuten stand es 1:1 durch Boriachuk, der sich allein durch die Abwehrreihe getankt hatte und dann aus 6 Metern abschloss. Alles in allem war der Stand dem bisherigen Spielverlauf nach angemessen, da keine der beiden Mannschaften bisher wirklich hatten dominieren können.
Es ging im Grunde weiter wie zum Ende der ersten Halbzeit – das Spiel fand größtenteils zwischen beiden Strafräumen statt. Karpaty zeigten das etwas filigranere Spiel, aber es gab auf beiden Seiten zu viele Ballverluste, um einen wirklichen Spielfluss entstehen zu lassen. Nach 61 Minuten gab es aber doch einen Schreckmoment für die Gäste Myshnev köpfte eine Bogenlampe, die fast über den etwas weit vor dem Tor stehenden Shevchenko hinweg gegangen wäre, der aber mit letzter Kraft den Ball noch erreichte und über das Tor lenkte. Nach 64 Minuten gab es dann den ersten Wechsel bei Karpaty – für Shved kam Myakushko, was etwas verwunderlich war, da ersterer bis dato eigentlich ein gutes Spiel gezeigt hatte.
Mariupol wurde in dieser Phase stärker und kam zu gleich drei aussichtsreichen Situationen im Strafraum, die Karpaty-Abwehr wirkte dabei gedanklich etwas langsam und überrumpelt. Nach 70 Minuten kam dann endlich Carrascal auf den Platz, für ihn ging Mendez. Carrascal besetzte auch dessen Position, was erstaunlich war, da er üblicherweise eher im zentralen offensiven Mittelfeld zu hause ist und eigentlich als Antreiber und Verteiler von Bällen dringend benötigt wurde. Er zeigte auch gleich richtig Hunger auf Fußball und ging mit einem engangierten Dribbling auf seiner linken Seite voran, wofür er immerhin einen Freistoß erreichte.
Das Spiel wurde aber auch nach diesem Wechsel nicht besser. Es gab eine ganze Reihe Fouls auf beiden Seiten, und entsprechend viele Spielunterbrechungen. Die besseren Chancen auf einen Führungstreffer hatten bisher die Hausherren gehabt, die es immerhin einige Mal in den Strafraum des Gegners geschafft hatten. Aber es war bei 80 gespielten Minuten immer noch offen.
Nach 82 Minuten hätte Mariupol in Führung gehen müssen, als Karpaty den Ball nicht aus dem Strafraum bekamen und gleich mehrere Schüsse hintereinander aufs Tor kamen, wovon der letzte Nachschuss von Mehremich heldenhaft auf der Linie gerettet wurde. Zu diesem Zeitpunkt war das Unentschieden für Karpaty schon schmeichelhaft. Sie kriegten auch keinen richtigen Fluss in ihr Spiel, Chancen waren meist das Resultat von Einzelaktionen oder Fehlern beim Gegner.
Nach 88 Minuten musste Fedetskyj angeschlagen vom Platz, für ihn kam Miroshnichenko – das zu einem Zeitpunkt, wo Rodrigo Vargas sich eigentlich schon bereit gemacht hatte. Nach 90 Minuten kamen Karpaty zum ersten Mal wieder aussichtsreich vor das gegnerische Tor. Myakushko lief auf der rechten Seite durch und spielte den Ball quer zu Hutsulyak, der den eigentlich gut gespielten Pass aber nicht mehr erreichte; das sah schon ein wenig nach Erschöpfung aus.
Aber es ging noch mit 6 Minuten Nachspielzeit weiter. Erbes musste sich mit einem Wadenkrampf eine Auszeit nhmen, konnte aber weiter machen. Nach 95 Minuten gab es noch einen Eckstoß für Mariupol, der aber nichts einbrachte, beim anschließenden Tempogegenstoß wurde Carrascal dann zum wiederholten Male durch ein taktisches Foul gebremst, wofür es dann die letzte von insgesamt 7 gelben Karten gab, ein Tor fiel aber nicht mehr.
Karpaty haben heute einen etwas schmeichelhaften Auswärtspunkt erreicht, das ist die gute Nachricht des Tages. Leider sind sie aber spielerisch klar unter ihren Möglichkeiten geblieben. Das Spiel war von beiden Seiten nicht begeisternd, aber bei Karpaty hatte man den Eindruck, dass die Mannschaft eigentlich mehr könnte, es aber nicht abrief.
Mann des Tages war heute Torwart Shevchenko, der beim Gegentor völlig schuldlos war und ansonsten nicht nur auf der Linie, sondern auch in der Strafraumbeherrschung stark war. Das ist es, was ihn derzeit vom ebenfalls starken Kuchynskyj unterscheidet.
Die Viererkette zeigte heute Licht und Schatten – sie ließ sich einige Male, wie etwa beim Ausgleichstor, recht leicht ausspielen, rettete dann aber durch einige heroische Rettungstaten in der Schlussphase das Unentschieden. Im Mittelfeld fehlte Carrascal als Antreiber und Spielmacher. Es gab zu wenig Vision und zu viele Fehler im Spielaufbau.
Shved und Mendez auf den Flügeln waren gewohnt stark, hier hat Trainer Morais ein Luxusproblem, da er zusammen mit noch Myakushko drei praktisch gleichstarke Spieler für die beiden Flügel hat. Im Zentrum sieht es weniger rosig aus – Hutsulyak mühte sich redlich, fühlte sich aber im Sturmzentrum sichtlich unwohl. Er ist technisch stark, hat Tempo und ein gutes Kopfballspiel, aber auf dem Platz ist er zu wenig Alphamännchen, das sich notfalls mit Körpereinsatz einfach durchtankt, wie das auf der anderen Seite Boriachuk beim Ausgleichstor getan hatte. Seine Leistungen auf dieser Position konnten bisher alle nicht die auf der linken Seite im Mittelfeld erreichen.
Somit bleibt zum Schluss die Frage nach der taktischen Aufstellung durch den Trainer. Es ist völlig unverständlich, warum der Taktgeber und auch das Vorbild im Mittelfeld, Jorge Carrascal, nicht von Anfang an spielte. Sobald er auf dem Platz war, hatte man jedes Mal, wenn er den Ball hatte, das Gefühl, dass etwas ging. Das hatte vorher komplett gefehlt.
Die Umstellung von der Dreier- auf eine Viererkette gehört sicher insgesamt zu den richtigen Entscheidungen. Sie ist zwar bei schnellem Spiel wie etwa letzte Woche gegen Shakhtar und auch einige Male heute, nach wie vor verwundbar, aber sie bietet dem Gegner nicht mehr diese bequemen Räume, durch die früher so viele Gegentore gefallen waren.
Ob es heute nun ein 4:3:3 oder ein 4:1:4:1 war, konnte man auf dem Platz nicht erkennen. Die drei zentralen Mittelfeldspieler Erbes, Di Franco und Klyots ließen da keinen Rückschluss zu. Allerdings bleibt nach wie vor offen, wie die Mannschaft ein Spielsystem mit einer zentralen Sturmspitze umsetzen soll. Hutsulyak scheint dafür nicht der richtige Mann zu sein, von Cristian Ponde haben wir bisher kaum etwas gesehen, und alle anderen Offensivkräfte kommen eher über die Flügel. Vielleicht wäre angesichts dessen ein 4:4:2 mit Shved und Myakushko als Doppelspitze wie noch in der letzten Saison eine Option? Wir werden sehen.
Nun heißt es abwarten, wie die anderen spielen, um zu sehen, welcher Tabellenplatz durch den einen Punkt am Ende herauskommt.