Heute spielten Karpaty auswärts gegen Oleksandriya, welches wohl als eine der positiven Überraschungen der Hinrunde gelten kann und an dritter Tabellenposition stand. Karpaty waren bisher weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben und standen als Drittletzter auf einem Relegationsplatz.

Die Aufstellung barg wieder einige Überraschungen. Das Spielsystem war offiziell ein 4:3:3, wobei, wenn man die üblichen Positionen der Spieler betrachtet, man es wohl eher 4:2:3:1 hätte nennen sollen. Im Tor stand Shevchenko, die Viererkette bildeten Fedetskyj, Borodaj, Mehremic und Miroshnichenko, im defensiven Mittelfeld standen Erbes und Klyots, davor Vargas und vorn Myakushko, Hutsulyak und Carrascal.
Auf der Bank saßen Kuchynskyj, Lebedenko, Kovtun, Verbnyj, Di Franco, Mendez und Ponde. Der seit langem formstarke Maryan Shved fehlte wegen einer Verletzung komplett, und auch dass Di Franco nur auf der Bank saß, war doch recht unerwartet.
Das Spiel begann mit einer frühen Führung für Oleksandriya – und das war Slapstick pur: Shastal lief auf der rechten Angriffsseite allein Richtung Grundlinie, Borodaj fing ihn ohne größere Mühe ab und spielte den Ball is Abwehrzentrum zu Mehremic, der – offenbar desorientiert, wo sein Torwart war – den Ball zu Shevchenko zurückspielen wollte und ihn stattdessen einfach wieder Shastal in die Füße spielte, der dann seelenruhig einlochte. Das war natürlich eine kalte Dusche, und man ahnte bereits wieder schlimmes.
Ansonsten spielten Karpaty gar nicht so schlimm, kamen einige Male in die Hälfte des Gegners, aber erzielten halt auch keine zählbaren Effekte. Carrascal erhielt dann fünf Minuten später eine frühe gelbe Karte, die etwas unverständlich wirkte – er trat seinem Gegenspieler, der ihn gerade mit gestreckten Bein in den Lauf rutschte, auf den Fuß, das hätte man auch gut anders herum geben können. In jedem Fall war das aber schon ein Handicap, da nun Carrascal, der ja gern aggressiv spielt, fast 70 Minuten mit Verwarnung vor sich hatte.
Nach 23 Minuten gab es die nächste gelbe Karte, dieses Mal für Borodaj, der sich nach einer Ecke der eigenen Mannschaft zu robust eingesetzt hatte. Das war auch kein Zufall. Karpaty spielten aggressiv und gingen keinen Zweikämpfen aus dem Weg. Sie begannen sich in der zweiten Hälfte der ersten Halbzeit ein Übergewicht zu erspielen und kamen immer wieder in die Nähe des gegnerischen Strafraums, während sich Oleksandriya weitgehend hinten hineindrängen ließ und nicht einmal zu den gegen Karpaty eigentlich immer gefährlichen Kontern kam. Wäre nicht dieses überflüssige Gegentor gewesen, hätte man mit dem Spiel eigentlich zufrieden sein können.
Und dann fiel wie aus dem Nichts das 2:0, und wieder war das ein vollkommen überflüssiges Tor. Die gesamte Viererkette war im Strafraum versammelt und ließ sich von drei Stürmern vorführen – flache Flanke auf den Elfmeterpunkt, ein Haken, Flachschuss, und Tor. Carrascal hatte einen richtig dicken Hals und räumte gleich wenige Minuten spöter einen Gegenspieler mit der Schulter und ordentlich Schwung weg, und alle wunderten sich, warum es dafür nicht gelbrot gab, aber er hatte noch einmal Glück. So ging es mit zwei Toren Rückstand in die Pause. Eigentlich war das Spiel nun schon gelaufen. Gegen Oleksandriya einen solchen Rückstand aufholen zu können, das mochte wirklich keiner glauben.
Die zweite Halbzeit begann, wie die erste geendet hatte – Karpaty hatten mehr Ballbesitz und spielten nach vorn. Oleksandriya ließ das zu, wirkte dabei aber aus verständlichen Gründen selbstbewusster als in der ersten Halbzeit vor dem zweiten Tor.
Dennoch gab noch einmal Grund zur Hoffnung. Nach einer Ecke in der 54. Minute köpfte Hutsulyak den Ball ins Tor, und der Rückstand sah schon gar nicht mehr so groß aus. Es ging weiter mit Offensive, und Oleksandriyas Abwehr wirkte gar nicht so sicher. Interessant ist, dass anders als früher durchaus häufiger mal hohe Flanken in den Strafraum kamen, wo mit Hutsulyak ja kein gerade Kleiner stand.
Es ging weiter mit Chancen für Karpaty, allerdings ohne zählbares Resultatl Nach 66 Minuten holte sich auch Hutsulyak seine gelbe Karte für ein Foul in der Mitte des Platzes ab. Nach 71 Minuten kam Di Franco für Erbes, es musste ja auch mehr Offensive her. Kurz danach gab es nach einem Freistoß von links ein heilloses Durcheinander im Oleksandriya-Strafraum, aus dem leider kein Profit geschlagen wurde.
Es ging aber offensiv weiter, und es fühlte sich so an, als wäre noch etwas möglich. Nach 78 Minuten ging Carrascal, der gerade zuvor mit einem schönen Schuss nur knapp das Tor verfehlt hatte, vom Platz, und für ihn kam Cristian Ponde, der bisher kaum eingesetzte Neuzugang von Sporting Lisabon. Ponde ist ein klassischer Mittelstürmer, weniger schnell und auch weniger groß als Hutsulyak, aber einer, der sich im Strafraum am wohlsten fühlt. Zunächst tat sich aber gerade da nichts, da jetzt erst einmal Olekandriya in die Offensive ging. Wenig später konnte Vargas zeigen, dass er schnell und grauenhaft abschlussschwach ist, als er allein in den Strafraum vorstieß und den Ball überhastet in die Wolken schoss.
Oleksandriya spielte nun in den Schlussminuten aggressiver und offensiver, man wollte meinen, gerade genug, um die Gefahr aus dem eigenen Strafraum fernzuhalten. Nach 88 Minuten kam dann noch mit Kevin Mendez ein weiterer frischer Offensivspieler, für Innenverteidiger Mehremic, es ging jetzt also um alles oder nichts. Aber es tat sich wenig da vorn. Oleksandriyas Spieler fielen um, wenn man ihnen zu nah kam und hatten dann immer große Schmerzen, Trainer und Cotrainer begannen lange Diskussionen mit der Schiedsrichterin, und das Spiel zog sich, ohne das viel passierte, durch die vier Minuten Nachspielzeit. Es wurde kein Fußball mehr gespielt – Oleksandriya verschleppte, was zu verschleppen war, bei Karpaty war da nur noch Frust und keine richtigen Spielzüge mehr, und nach jeder zweiten Ballberührung gab es eine Spielunterbrechung.
So gab es dann wieder eine Niederlage. Nach der Tabellensituation zu urteilen, wäre das gar nicht so überraschend gewesen, aber nach dem Spielverlauf musste man sich gewaltig darüber ärgern. Karpaty hatten vor allem in der zweiten Hälfte ein wirklich sehenswertes Spiel gezeigt, aber zwei darart dumme Tore kassiert, die sie dann gegen einen hinreichend cleveren Gegner nicht mehr aufholen konnten.
Der Verzicht auf den verletzten Shved war natürlich bitter, aber Carrascal machte an dessen Stelle eine gute Partie. Hutsulyak wirkte auf der Mittelstürmerposition ein klein wenig stärker als noch in den Spielen davor, und sein Kopfballtor war sehenswert. Vargas auf der “10” war ja eine Überraschung gewesen, aber das funktionierte eigentlich ziemlich gut – er ist schnell und dribbelstark, und seine Abschlussschwäche macht sich im offensiven Mittelfeld nicht so stark bemerkbar wie im Sturm. Di Franco ist ja auch kein großer Vollstrecker, insofern war die Entscheidung durchaus vertretbar. Klyots und Erbes machten ihre Sache gut und trugen eine Menge zum Spielaufbau bei.
Der Verlierer des heutigen Tages war die Abwehrreihe. Dem 1:0 ging ja ein Missverständnis voraus, und man kann darüber diskutieren, ob das in der eingespielten Formation mit Kovtun innnen und Mehremic links passiert wäre – vermutlich wohl nicht. Es ist zu vermuten, dass diese Aufstellung durch den Wunsch motiviert war, dem starken Miroshnichenko einen Startplatz zu geben – und da die rechte Position durch Kapitän Fedetskyj belegt ist, war das eine nachvollziehbare Variante. Dennoch muss festgestellt werden, dass die Viererkette heute für beide Gegentreffer direkt verantwortlich war. Torwart Shevchenko konnte einem leid tun – er bekam über das ganze Spiel nur vier Bälle aufs Tor, von denen zwei unhaltbar drin waren.
Karpaty bleiben somit auf dem Relegationsplatz 10, und nächste Woche geht es nach Odessa, wo Abstiegskonkurrent Chornomorets’ wartet. Wenn die Leistung dann ähnlich stark ist wie heute und gleichzeitig die Abwehr keine Auszeiten nimmt, dann sollte das zu schaffen sein. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.