Heute mussten Karpaty nach drei Niederlagen in Folge zum Dritten der Vorsaison und Europa League Teilnehmer, dem FK Oleksandriya reisen. Dort wartete ein Wiedersehen mit Rechtsverteidiger Denys Miroshnichenko, der nach Ende der vergangenen Saison ablösefrei gewechselt war. Auf dem Papier war hier nicht viel zu holen. Als Hoffnung blieb vielleicht noch die Möglichkeit, dass der Gegner nach seinem Europa League Spiel am Donnerstag erschöpft sein und die Karpaty-Spieler sich langsam mehr an die Philosophie des neuen Trainers gewöhnt haben könnten.

Bei der Aufstellung gab es einige Überraschungen: Gespielt wurde wieder 4:2:3:1, im Tor aber Kudryk statt Pidkivka, davor Martins, Hall, Vakulenko und Dubinchak, auf der Doppelsechs Verbnyj statt Klyots und Nasaryna, davor Jennings, Di Franco und Neuzugang Lorenzen sowie Boiciuc als einsame Spitze.
Auf der Bank saßen Torwart Pidkivka, Innenverteidiger Kovtun, für das Mittelfeld Klyots, Yakimets‘ sowie für die Offensive Ponde und zum ersten Mal Prytula aus der U21. Hutsulyak war nach seiner Verletzung noch nicht wieder fit, und Vojkovic war vergangene Woche erkrankt.Karpaty begannen etwas defensiver als in den letzten Spielen und waren darauf bedacht, Räume eng zu machen und Sicherheit zu gewinnen. In den ersten Minuten gelang das auch recht gut, und Oleksandrya tat sich sichtlich schwer, die höhere individuelle Klasse der Mannschaft auszuspielen. Zum ersten Mal richtig gefährlich wurde es vor dem Karpaty-Tor nach 12 Minuten im Anschluss auf einen Eckstoß, wo Freund und Feind im Strafraum nach dem Ball stocherten und es erst nach einer Weile gelang, das Spielgerät herauszuschlagen.
Dennoch stand die Marschrichtung nun fest: Karpaty verteidigten und kamen nur selten mit Kontern in die gegnerische Hälfte. Mit den schnellen Flügelspielern und Außenverteidigern war Konterspiel prinzipiell sicher nicht die schlechteste Variante – nur kamen sie kaum überhaupt in die gegnerische Hälfte. Eine weitere Panik-Situation gab es nach 21 Minuten: zunächst ein Lattenschuss, der vor der Linie im Rasen einschlug, ein Nachschuss, der mit letzter Kraft geblockt werden konnte, die Einschläge kamen immer näher.
Eine weitere Großchance hatte Oleksandriya nach etwa 27 Minuten, wo sie die Abwehr an der Strafraumgrenze im Grunde schon ausgespielt hatten, dann aber noch für die Galerie spielen wollten und sich dabei dann mit einem Fehlpass selbst um ihren Lohn brachten. Oleksandriya kam in dieser Phase immer wieder zu Eckbällen, und die Karpaty-Abwehr schlug den Ball nur noch heraus, ohne überhaupt noch eigene Mitspieler zu suchen.
Das Spiel wurde zum Ende der ersten Halbzeit langsam etwas ausgeglichener. Bei Oleksandriya fehlte zunehmend der Elan, den Druck aufrecht zu erhalten, und so kamen Karpaty häufiger mal in die gegnerische Hälfte und dabei auch zu einigen Gelegenheiten, die aber auch nichts einbrachten. Es ging mit einem 0:0 in die Pause, das – betrachtet man die ersten 30 Minuten – für Karpaty überaus glücklich war, dann aber zum Schluss hin ein wenig verdienter wirkte.
Die zweite Hälfte begann mit einer Chance für Karpaty. Kurz darauf kam es zu einem Freistoß für Oleksandriya aus etwa 19 Metern.
trat an und schoss den Ball praktisch durch die Mauer hindurch flach ins linke Eck. Der Ball wirkte nicht ganz unhaltbar, da er nicht besonders scharf aufs Tor kam. So hatten wir wieder die Art von Situation, die uns schon brutal bekannt vorkommt: Rückstand, Karpaty mussten kommen – und natürlich ihre dichte Defensive zunehmend aufgeben.Doch sie hatten unerwartet schnell Grund zum Jubeln: der quirlige Jennings, der seinen Gegenspielern einige Mühe bereitete, wurde naher der Grundlinie rechts vom Strafraum gefoult, es gab einen Freistoß, der für allerlei Durcheinander im Oleksandriya-Strafraum sorgte, bis schließlich Hall den Ball auf den Fuß bekam und eine Lücke fand – 1:1 nach 59 Minuten. Der Ausgleich war zu dem Zeitpunkt durchaus verdient, denn Karpaty hielten auch in der zweiten Hälfte nun kräftig dagegen und hatten langsam genug Ballsicherheit gewonnen, den Gegner mit ihren Kontern vor Probleme zu stellen.
Oleksandriya wirkte zunehmend saftlos, und Karpaty begannen, das Spiel langsam in den Griff zu bekommen: sie gewannen mehr Zweikämpfe und kamen mit ihren schnellen Außenspielern immer wieder zu Angriffen, die immer gefährlicher wurden. Nach 80 MInuten htte Melvyn Lorenzen Feierabend, für ihn kam Klyots, der dann mit Di Franco die Position tauschte.
Und wo das gerade so seinen Lauf nahm, fiel völlig unerwartet die erneute Führung für Oleksandriya Kudryk segelte im Strafraum so halb unter einer Flanke hindurch, kam nicht mehr schnell genug auf die Beine, während der Ball einfach noch einmal in die Mitte geschlage und von Babohlo an den Innenverteidigern vorbei ins Tor geköpft. Das stellte den Spielverlauf der letzten 20 Minuten völlig auf den Kopf. Trainer Sanzhar reagierte, indem er Ponde für Boiciuc brachte, der wieder gut gespielt hatte, aber einfach nicht mit geeigneten Bällen „gefüttert“ worden war. Zu allem Überfluss verletzte sich nun auch noch Martins, für den Yakimets‘ auf den Platz kam.
Das Spiel ging nun nur noch auf ein Tor. Karpaty drängten mit aller Macht auf den Ausgleich, und Oleksandriya wirkte selber überrascht von der am Ende doch unerwarteten Führung. Am Ende blieb es bei einem 2:1-Sieg für Oleksandriya, der, wenn man das gesamte Spiel betrachtet, mehr als glücklich war.
Wenn man das Resultat betrachtet, ohne das Spiel gesehen zu haben, dürfte man sich nicht großartig wundern – EL-Teilnehmer gegen Fast-Absteiger, das sollte eigentlich eine klare Sache sein. Aber auch, wenn dies nun die vierte Niederlage in Folge ist, kann man mit der heute gezeigten Leistung zufrieden sein. Aber von vorn.
Trainer Sanzhar hatte drei Positionen umbesetzt: Lorenzen kam zu seinem ersten Starteinsatz und zeigte eine ordentliche Leistung – Jennings auf der rechten Seite war eine Ecke auffälliger, aber durch sein Tempo konnte der Neu-Karpate doch auch links für einige Unruhe sorgen. Es wird interessant sein, wer von den beiden auf der Bank landet, wenn Hutsulyak wieder fit ist. Der defensivstärkere Verbnyj ersetzte den kreativeren Klyots. Das war angesichts des Sturmlaufs der Hausherren in der ersten Hälfte wohl auch ein gelungener taktischer Kniff. Schließlich spielte Kudryk statt Pidkivka. Das dürfte wohl in die Hose gegangen sein, war doch Kudryk beim ersten Treffer vielleicht nicht ganz chancenlos und den zweiten durch seine missglückte Flugeinlage überhaupt verschuldet. Nun ist Strafraumbeherrschung auch nicht gerade eine Stärke von Pidkivka, allerdings hat jener durch seine starken Reflexe in den letzten Spielen meist die eine oder andere „Hundertprozentige“ vereiteln können.
Anders als in den letzten Wochen wirkte die Verteidigung heute stärker. Sie leistete sich in den ersten 30 Minuten zwei Fehler, die durch Gegner wie Dynamo oder Shakhtar wohl bestraft worden wären, aber die Deckung wirkte doch insgesamt verbessert. Im Sturm war wie gesagt Jennings auffällig – schnell, technisch stark und immer eine Gefahr, wenn er in Strafraumnähe an den Ball kam. Di Franco war heute nicht ganz so auffällig wie sonst, auch wenn er wie immer ständig unterwegs war.
Die Mannschaft braucht jetzt dringend einen Sieg. Sie ist nach all diesen Niederlagen natürlich psychisch angeschlagen. Kommendes Wochenende ist Liga-Pause, da wird es ein Freundschaftsspiel geben, und am 19. Oktober geht es dann zu hause ins Derby gegen FK Lviv. Dies ist ein Spiel, das die Mannschaft realistisch gewinnen kann. Der Trainer hat nun knapp zwei Wochen Zeit, seine Spieler wieder aufzubauen, und die wird das Team auch brauchen.