Dynamo – Karpaty: 1:1

Heute gab es das erste Spiel für Karpaty in der Rückrunde der ersten Phase der Saison. Für Karpaty war die Auslosung ganz besonders bitter, geht es doch direkt nacheinander gegen Dynamo und Shakhtar, was realistisch zwei Niederlagen in Folge bedeutet. Da es seit 5 Spielen keinen Sieg (4 Niederlagen, ein Unentschieden) gegeben hat, ist der Druck auf Trainer Sanzhar mittlerweile erheblich, und die Unzufriedenheit bei Verein und Fans groß. Der einzige Trost vor dem heutigen Spiel war, dass Lokalrivale FK Lviv nach der Niederlage gegen Desna weiter auf dem letzten Platz bleibt, somit also die Grünweißen in jedem Fall nicht schlechter als auf dem aktuellen drittletzten Platz aus der heutigen Partie gehen würden.

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Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Bei Karpaty waren außer dem Langzeitverletzten Kutscher zwar alle wieder fit, allerdings war Verbnyj nach seiner roten Karte letzte Woche gesperrt und durfte vertragsbedingt Linksverteidiger Dubinchak nicht gegen seinen Stammverein spielen. Mit Dubinchak fehlte in der Viererkette hinten ein wichtiger Leistungsträger, was Trainer Sanzhar offenbar zu einem Systemwechsel veranlasste: gespielt wurde mit einem 3:2:3:2 (oder auch einem 5:3:2). Im Tor stand Kudryk, davor die drei Innenverteidiger – U20-Weltmeister Veremiyenko mit seinem ersten Startplatzeinsatz in einem Punktspiel, Hall und Vakulenko, davor auf den Außenpositionen Martins und Lyakh, im zentralen Mittelfeld Nasaryna, Di Franko und Klyots und im Sturm die schnellen Lorenzen und Jennings, die offenbar bei Kontern ihr Glück suchen sollten.

Auf der Bank saßen Torwart Pidkivka, Mittelfeldspieler Yakimets‘ und Tolotschko und für den Angriff Hutsulyak, Ponde, Boiciuc und Layous. Gar nicht im Kader standen Kovtun, Vojkovic und Kosak. Es fiel auf, dass für den linken Flügel der eigentlich offensive Außenspieler Lyakh aus der U21 den Vorzug vor Hutsulyak erhalten hatte, der früher häufiger auf dieser Position gespielt hatte. Ganz offenbar wollte der Trainer hier auch angesichts der in den letzten Spielen und dem Training gezeigten Leistungen Zeichen setzen. Dennoch war das auch riskant, da eine hohe Niederlage selbst gegen diesen Gegner schon weitreichende Folgen für Trainer und Mannschaft haben könnte.

Es ging also darum, von Anfang bis Ende des Spiels konzentriert zu bleiben und sich hinten keine Blöße zu geben, was sicher durch das eigentlich anspruchsvoller zu spielende System mit den drei Innenverteidigern und vorgezogenen Außenspielern nicht unbedingt vereinfacht wurde. Das Hinspiel war mit „nur“ zwei Toren verlorengegangen, was dem damals neuen Trainer Chyzhevskyj einigen Respekt eingebracht hatte.

Diese Ausgangslage sah man dem Spiel gleich zu Beginn bereits an. Dynamo attackierte, und die gesamte Karpaty-Mannschaft war auf Defensive eingestellt. Bereits nach 4 Minuten musste Kudryk zum ersten Mal einen Schuss abwehren, und die Karpaty-Abwehr hatte ganz offensichtlich Mühe, dem Gegner hinten keine Räume zum Spielen zu lassen. Gleich zwei Minuten später hatte Tsyhankov eine Riesenmöglichkeit, nachdem Martins einen lang in den Strafraum gespielten Pass nicht kontrollieren konnte, aber Kudryk stürzte sich dem Ball entgegen und verhinderte Schlimmeres.

So ging das erst einmal weiter. Karpaty konnten sich hinten ein wenig stabilisieren, abr Dynamo hatte eine gigantische Ballbesitzquote und belagerte den Strafraum in Eishockey-Manier. Plötzlich, nach etwa 24 Minuten kam Lorenzen an der Strafraumgrenze an den Ball, schaffte es, an den beiden Dynamo-Innenverteidigern dort vorbei zu kommen und lief auf das gegnerische Tor zu, spielte erneut die mitgeeilten Abwehrspieler aus und entschied sich, selber abzuschließen, statt auf den völlig frei stehenden Jennings abzuspielen. Das war ein Fehler, denn der Abschluss war so schwach, dass man sich schon an Karim Yoda erinnert fühlte, und es blieb beim 0:0.

So ging es dann wieder auf das Karpaty-Tor weiter, dabei versuchte es Dynamo zunehmend mit Weitschüssen, die auch mitunter durchaus gefährlich waren. Nach 36 Minuten leistete sich dann Vakulenko ein Foul in Strafraumnähe, was natürlich eine gute Chance für einen direkten Freistoß war. Tsyhankov schoss flach links, allerdings nicht sonderlich platziert, so dass Kudryk abwehren konnte.

Fünf Minuten vor der Pause kamen Karpaty ihrerseits zu einer wirklich guten Torchance – nach einem Freistoß aus dem Halbfeld gelangte der Ball gleich zweimal gefährlich in den Dynamo-Strafraum, und man hatte das Gefühl, dass nacheinander Martins und Vakulenko gar nicht ihr Glück fassen konnten und jeweils einen Tick zu lange zögerten. Somit hatten Karpaty bisher in der ersten Halbzeit sogar die besseren Chancen gehabt als die Gastgeber. Es ging mit einem überraschenden 0:0 Unentschieden in die Pause.

Zur zweiten Hälfte kam bei Karpaty Hutsulyak für Lorenzen, also ein schneller Spieler für das Konterspiel ersetzte den anderen, und Rostyslav Lyakh durfte auf seiner linken Seite weitermachen. Es vergingen 4 Minuten, bis Dynamo endlich den Führungstreffer erzielte – ein wirklich schön herausgespieltes Tor, eine schnelle Kombination über mehrere Stationen, abgeschlossen durch Verbic. Das war natürlich, wenn man den bisherigen Spielverlauf betrachtete, eine Enttäuschung. Es zeigte aber sicher auch den Unterschied in der individuellen Klasse der Spieler.

Nun galt es natürlich, eine höhere Niederlage zu vermeiden und dabei vielleicht sogar vorsichtig noch hier oder da die eigene Chance auf einen Ausgleich zu suchen. Dynamo hatte nun Blut geleckt und wollte ganz offensichlich mehr, und Karpaty mussten sich erst einmal ordnen. Das sah in den ersten paar Minuten ganz schön brenzlich aus, und nach 53 Minuten zeigte Kudryk einen großartigen Reflex, als er einen abgefälschten Schuss noch unten aus dem linken Eck fischen konnte.

Dynamo wirkte gegenüber der ersten Hälfte wie ausgewechselt. Es gab immer noch Angriff auf Angriff, aber es kam viel mehr durch, obwohl die Karpaty-Abwehr immer noch dicht gestaffelt stand. Dabei gab es durchaus Konterchancen, aber da fehlte dann doch ganz einfach ein wenig die Coolness eines Mariyan Shved, der heute bei Celtic nicht einmal auf der Bank gesessen hatte.

Nach 64 Minuten hatten Karpaty eine gute Freistoßchance, nachdem Popov den quirligen Jennings zu Fall gebracht hatte. Klyots trat an, setzte den Ball aber in die Mauer. In dieser Spielphase hatten Karpaty ein wenig mehr Spielanteile und kombinierten sich einige Male ganz sehenswert nach vorn, ohne dabei aber richtig Torgefahr auszustrahlen. Dynamo hatte einen Gang zurückgeschaltet, war aber immer noch gefährlich, sobald das Spiel in die Karpaty-Hälfte stattfand.

Für Lyakh kam dann in Minute 73 Ponde, der dann mit Hutsulyak die Position tauschte und sich im Angriff positionierte. Bei Karpaty hieß das Motto nun vorsichtige Offensive, soweit Dynamo das zuließ, gleichzeitig gab man aber hinten die Deckung nicht auf. Nach 81 Minuten kam Dynamo erneut zu einer guten Torchance durch einen Freistoß direkt an der Strafraumgrenze. Schon vor dem Freistoß kam bei Karpaty Boiciuc für Klyots, also ein Stürmer für einen Mittelfeldspieler. Shaparenko traf die Latte, es blieb also beim 1:0, und Karpaty versuchten ihr Glück in der Offensive.

Und das hatte Folgen. Jennings tanzte links vom Strafraum zwei Verteidiger aus, spielte Boiciuc an, der fast an der Grundlinie links vom Tor stand, und der zimmerte einfach mal den Ball mit Schmackes in die Reihe der Innenverteidiger, die im Fünfmeterraum standen. Der Ball traf Shabanov, von dem er unhaltbar ins Tor prallte. Das Tor zählte zwar offiziell als Eigentor, aber Boiciuc hatte es ganz offfensichtlich genau darauf angelegt, sehr schön.

Nun hatte es Dynamo natürlich eilig. Es waren noch 3 Minuten plus Nachspielzeit zu spielen, und Karpaty hatten durch die größeren Spielanteile der letzten halben Stunde ein wenig Sicherheit zurückgewonnen. Aber es blieb noch genug Zeit, und es wurde das eine oder andere Mal gefährlich. Nach 90 Minutem gab es 4 Minuten Nachspielzeit und Freistoß für Dynamo, der aber in der Karpaty-Abwehr hängen blieb, die sich mit allem, was sie hatten, in die Bälle warfen. Weiter ging es mit noch einem Freistoß für Dynamo, den Kudryk abwehren konnte. Karpaty spielten das jetzt ziemlich geschickt, zogen Fouls und schafften es immer wieder, den Ball jeweils für eine Weile in den eigenen Reihen zu halten.

Nach 4 Minuten Nachspielzeit hatte sogar Boiciuc den Führungstreffer auf dem Fuß, den der herausstürmende Bushchan aber noch gerade noch an die Latte lenken konnte. Im direkten Gegenzug war schon wieder Dynamo im Karpaty-Strafraum und forderte Handelfmeter, den aber der Schiedsrichter nicht gab. Es blieb beim letztlich nicht unverdienten, aber durchaus überraschenden 1:1 Unentschieden.

Es gab auch diese Woche wieder keinen Sieg, aber sowohl durch das Ergebnis als auch die Leistung konnte sich die Mannschaft immerhin Respekt verschaffen. Die erste Hälfte war eine reine Abwehrschlacht gewesen, die – auch bedingt durch die Einfallslosigkeit bei Dynamo – torlos blieb. In der zweiten Hälfte kam der Rückstand, aber Karpaty fanden ins Spiel und schafften am Ende sogar den Ausgleich.

Das System mit den drei Innenverteidigern und zwei Außenverteidigern funktionierte erstaunlich gut. Natürlich machte Dynamo es dem Gegner gerade in der ersten Hälfte auch leicht. Kudryk hatte heute einen richtig starken Tag, auch wenn seine Abstöße vor allem in den ersten 45 Minuten fast grundsätzlich zum Gegner gingen, aber durch seine Paraden hatte er einen erheblichen Anteil am Punktgewinn heute.

Im zentralen Mittelfeld war Di Franco wieder stark: er schimpfte, rackerte, kämpfte und, wenn all das nicht half, trat er auch mal zu, was ihm völlig zu recht gelb einbrachte, aber er riss dadurch eben seine Mannschaft auch immer wieder mit.

Lorenzen hatte in der ersten Hälfte eine Chance, sich unsterblich zu machen, aber am Ende blieb doch Enttäuschung über seinen mangelnden Überblick und schwachen Abschuss. Sein Nebenmann, Jennings, war der wohl stärkste Feldspieler heute. Von der Statur und Spielweise her erinnert er ein wenig an Di Franco, wobei er noch etwas mehr Tempo hat, aber wie sein argentinischer Kollege war er überall auf dem Platz zu finden, und seine Vorarbeit zum Ausgleich durch Boiciuc war wirklich sehenswert.

Trainer Sanzhar dürfte sich heute etwas Luft verschafft haben. Natürlich wird nächste Woche die Aufgabe noch schwerer, aber ebenso wie auch schon heute dürfte wohl niemand etwas anderes als eine Niederlage erwarten, und viel wird darauf ankommen, wie sich die Mannschaft dabei schlägt. Heute darf aber wenigstens ein bisschen gefeiert werden.