Sanzhar analysiert das 2:6 gegen Desna – wir auch!

Cheftrainer Sanzhar hat in seiner Analyse nach demkatastrophalen 2:6 gegen Desna in Interviews schwere Vorwürfe gegen einige seiner Spieler erhoben – freilich, ohne dabei Namen zu nennen – und personelle Veränderungen angekündigt.

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Roman Sanzhar, Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Unter anderem erklärte er:

Ich schäme mich sehr für das Spiel einiger unserer Spieler, die dieses Spiel versagt haben. Ich sagte ihnen vor dem Spiel in der Kabine, dass dies das letzte Heimspiel dieses Jahres sei, Fans würden kommen und von uns nicht nur Siege erwarten, sondern Engagement und Leidenschaft auf dem Platz. Dann kommen wir gerade mal auf den Platz, und schon in der ersten Minute sind einige Jungs dem Spiel nicht gewachsen!

Unser selbstgestelltes Ziel ist die Aufgabe, die wir uns gestellt haben. Natürlich sind nach einem solchen Spiel ganz andere Ziele angebracht, aber wir müssen an daas beste glauben. Ich habe bereits die richtigen Schlüsse gezogen, und wir werden weiter kämpfen – das wird nach der Winterpause deutlich werden. Wir planen, uns auf vielen Positionen zu verstärken, genaueres möchte ich aber noch nicht sagen.

Im Team gibt es viele Spieler mit Perspektive, aber sie sind für die Aufgaben, die ihnen gestellt werden, noch nicht bereit. Sie entwickeln sich, aber wir verlieren Punkte. Es ist unbedingt notwendig, unsere Mannschaft zu stärken, damit sie sich mental, aber auch beim System entwickelt. Meine Vision vom Fußball gefällt nicht jedem. Für jeden Stil braucht man Spieler mit entsprechenden Eigenschaften, und ich bin darüber in Gesprächen mit unserem Management.

Verzögerung der Lohnauszahlung? Das ist absolut nicht kritisch. Der Verein wird seinen Verpflichtungen nachkommen. Die Leistung einiger Spieler kann jedenfalls nicht dadurch erklärt werden, dass sie nicht bezahlt worden sind. Jeder wird sein Geld bekommen, aber ich möchte eine andere Frage stellen: verdienen einige Spieler nach so einer Leistung, bezahlt zu werden?

Ich glaube, dass der Verein uns die Gelegenheit geben wird, uns auf den Frühling so vorzubereiten, dass die Mannschaft so aussieht, wie man es von ihr erwartet. Ich fühle die Unterstützung des Managements. Meine Meinung wird gehört und verstanden, ebenso wie meine Analyse dessen, was passiert.

Ich hätte möglicherweise erwägt zurückzutreten, wenn ich dieses Team verpflichtet und die Geschäftsführung davon überzeugt hätte, dass dieses Personal wettbewerbsfähig sei, wir mit ihm etwas gewinnen müssen und so weiter. Allerdings bin ich während der Saison in die Karpaten gekommen, und zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann ich nichts dramatisch verändern. Ich hoffe, dass ich in der Winterpause das tun kann, was ich will. Ich bin sehr verletzt und schäme mich, weil ich Leute sehe, die uns unterstützen.

Es ist kein Geheimnis, dass der Trainer von vielen Anhängern nicht gern gesehen wird, zumal für ihn der populäre Oleksandr Chyzhevskyj, ein Karpate mit Leib und Seele, entlassen wurde. Es ist allerdings festzustellen, dass die Mannschaft auch unter jenem keine Wunder vollbrachte; der Hauptunterschied bestand in der taktischen Ausrichtung: während Chyzhevskyj die Mannschaft eher defensiv aufstellte und dadurch krachende Niederlagen wie die gestern vermied, wird unter Sanzhar mit mehr Risiko gespielt. Für das Ergebnis war die Taktik Chyzhevskyjs zwar „sicherer“, aber vom Anspruch, mittelfristig um internationale Plätze zu spielen, sind beide weit entfernt.

Dennoch gibt es einige Aussagen Sanzhars gestern, die eines Kommentars bedürfen:

  1. Das erste Tor fiel nach einer Ecke von der Position, für die normalerweise Serhij Vakulenko zuständig ist, der aber gestern verletzt fehlte. Er wurde vom Luxemburger Tim Hall vertreten, der gerade bei Standards schon einige Male resultative Unaufmerksamkeiten gezeigt hatte. Ultimativ aber ist es die Aufgabe des Trainers, mit der Mannschaft das Verteidigen von Standardsituationen zu üben. Hier die Schuld auf die Spieler zu schieben, ist zu einfach.
  2. Die Mannschaft spielte wiederholt mit drei Innen- und zwei vorgerückten Außenverteidigern. Dieser Stil hatte schon unter dem mehrmaligen Interimstrainer Oleh Boychyschyn immer Schwächen bei Kontern sowie in der Feinabstimmung der Innenverteidigung gezeigt, während das 4:2:3:1 mit einem Innenverteidiger weniger, aber zusätzlicher Sicherung durch die Doppel-„6“, der Mannschaft leichter zu fallen scheint. Die Entscheidung über das Spielsystem trifft der Trainer.
  3. In der zweiten Hälfte stürmte das Team „ohne Rücksicht auf Verluste“ und war hinten sperrangelweit offen für Konter. An mangelndem Engagement lag es sicher nicht, dafür aber an fehlender Koordination und Disziplin. Gerade dies sind Dinge, die ein Trainer mit seiner Mannschaft erarbeiten muss. Natürlich müssen die Spieler es umsetzen, aber ein Trainer kann sich hier nicht vollkommen aus der Verantwortung herausreden.
  4. Während Chyzhevskyj noch Trainer war, kursierten bereits Gerüchte, dass er durch Sanzhar ersetzt würde und – das ist hier wesentlich – die Verpflichtungen neuer Spieler durch Chefscout Vadim Schablij bereits mit dem potentiellen Nachfolger abgestimmt worden seien. Ob das stimmt, werden vermutlich nur die Beteiligten selber bestätigen können, sollte es aber zutreffen, sähe Sanzhar mit seiner Rechtfertigung bezüglich des Kaders nicht gut aus.

Natürlich ist nicht alles schlecht. Die Mannschaft erarbeitet deutlich mehr Chancen selber, als das noch unter Chyzhevskyj der Fall gewesen war. Junge Spieler aus der eigenen Jugend, wie z.B. Rostislav Lyakh und Oleh Veremiyenko sind integriert worden, andere, wie etwa Yehor Nasaryna, der mit Kaufoption von Royal Antwerpen verpflichtet wurde sowie der Luxemburger Marvin Martins, der wie sein Landsmann Tim Hall von Pr. Niederkorn gekommen war, entwickeln sich gut.

Dass der Kader Verstärkungen braucht, ist als Analyse in jedem Fall richtig. Die Frage wird sein, wie der Verein das aktuell wird finanzieren können (Gerüchte über einen durch Geldnot erzwungenen Ausverkauf zur Winterpause halten sich ja hartnäckig) und auch, wie sich das realisieren lässt, ohne dass die gerade integrierten jungen Spieler wieder aus dem Kader fliegen und die Mannschaft ihre Bindung zur Region, die für die Fans so wichtig ist, verliert.

In jedem Fall muss konstatiert werden, dass die Probleme, die wir aktuell sehen, nichts neues sind. Die Mannschaft hat sie trotz personeller Änderungen in wesentlichen Zügen über die letzten 5 Jahre gehabt, in denen 10 Trainer „verbraucht“ worden waren. Es wäre ein richtiges Zeichen, wenn nicht erneut der Trainer geopfert, sondern stattdessen an den eigentlichen Problemen gearbeitet würde.