„Volksclub“ Karpaty – viele offene Fragen

Nachdem der Stadtrat Lviv letzte Woche den Antrag angenommen hatte, den Club unter die Verwaltung der Stadt zu stellen und die Karpaty-Führung ebenfalls Einverständnis signalisiert hatte, herrschte zunächst Euphorie. Nun wird langsam deutlich, dass immer noch mehr Fragen offen bleiben als beantwortet.

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Bürgermeister Andrij Sadowyj und Karpaty-Geschäftsführer Rostyslaw Yaschchyschyn, Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Wem soll der Club gehören?

In einem Interview erwähnte Andrij Sadowyj, dass es im März eine Aktionärsversammlung bei „Karpaty“ geben würde und erklärte weiter:

Der Stadtrat beabsichtigt nicht, einen Fußballverein zu besitzen. Das ist nicht unser Job. Wir wollen uns an der Schaffung eines Volksclubs beteiligen, nach dem Vorbild von Barcelona und vielen portugiesischen Vereinen, wo die jeweilige Stadt auch nicht der Eigentümer ist. Die Stadt kann dazu beitragen, verschiedene Menschen anzulocken.

Ich selbst bin bereit, eine Aktie zu kaufen und werde alle anderen dazu aufrufen. Dies ist jedoch nicht die Aufgabe der Stadtverwaltung – die Leitung eines Fußballvereins zu übernehmen. Wir unterstützen den Kinderfußball und werden das auch weiter tun. Es ist unsere Aufgabe, den Amateursport zu entwickeln, aber Profisport ist nicht die Kompetenz der Stadt. Die Aktionäre müssen untereinander über die Zukunft des Vereins entscheiden.

[…]

Wir sind bereit, mit Zustimmung des FC „Karpaty“ uns in die Struktur eines Volksclubs zu verwandeln, diesen Prozess zu beginnen, wenn wir eine Nachricht erhalten, Vorbereitungsarbeiten innerhalb dieses Jahres durchzuführen, so es ab 2021 losgehen kann.

Was haben wir nun erfahren?

Die Stadt will sich also „in die Struktur eines Volksclubs“ verwandeln (Sadowyj hat sich wirklich so eigenartig ausgedrückt), ohne den Club zu besitzen. Eigentlich ging es ja bei der ganzen Diskussion darum, wer in Zukunft Besitzer des Clubs sein und – viel wichtiger – ihn finanzieren würde, aber das Thema wird hier ja ganz offenbar umkurvt. Immerhin will Sadowyj selber eine Aktie kaufen und andere dazu auffordern. Das hilft ganz sicher. Naja.

Die Unklarheit bei alledem scheint auch der Führung des Clubs aufgegangen zu sein. In einer offiziellen Ankündigung auf ihrer Internetseite erklärt sie:

Alle notwendigen Unterlagen sind vollständig für die Übertragung vorbereitet. Es bleibt eine Frage – wer genau ist nun dafür verantwortlich und berechtigt? Wem genau sollen wir die [Unternehmens-] Rechte übertragen? Wir hoffen , so schnell wie möglich eine Antwort auf diese Frage vom Stadtrat Lviv zu bekommen, um rechtlich einwandfrei die Gründung des Volksclubs zu durchzuführen.

In der veröffentlichten Verlautbarung des Stadtrats wird auch nicht präzisiert, an wen genau die Unternehmensrechte (kostenlos) zu übertragen seien, was Raum für Spekulation lässt. Ausgegangen ist man stets davon, dass der Empfänger letztlich der Stadtrat sei, aber das hat Sadowyj ja gerade ausgeschlossen. Also wer wäre denn dann der Eigentümer? Wenn man in Sadowyjs Aussagen den Kaffeesatz liest, kann man fast davon ausgehen, dass für die Bewohner der Stadt Aktien zum Kauf angeboten werden sollen. Aber von derartigem war bisher nie die Rede gewesen. So richtig klar ist hier jedenfalls noch nichts, und ob die Beteiligten selber überhaupt schon wissen, wohin die Reise gehen soll, scheint zumindest fraglich.

Die 50 Mio Hryven aus dem Stadtbudget

Im Vorfeld war ja vorgeschlagen worden, dass die Stadt 50 Mio Hryven Jahresbudget zur Verfügung stellen würde, um den Betrieb des Clubs zu sichern. Davon ist im Beschluss des Stadtrats allerdings nirgends die Rede. Da der Stadtrat ja ausschließt, selber Eigentümber zu werden, darf wohl bezweifelt werden, dass dieser Akündigung Taten folgen.

Das Stadion

Es gibt eine Absichtserklärung, dem Club das Stadion und das umgebende Gelände langfristig zu Vorzugskonditionen zu überlassen. Dabei hätte der Club auch das Recht, die geplanten Reparatur- und Erweiterungsvorhaben umzusetzen, was für die Fähigkeit, sich selber zu finanzieren wohl kritisch wäre – denn der Spielbetrieb selber kostet viel und bringt aktuell wenig ein.

Auch bei dieser sicher guten Nachricht bleiben allerdings Fragen offen: wer (genauer: welche juristische Person) darf am Ende diesen Pachtvertrag unterzeichnen und wäre dann auch Nutznießer etwaiger Einnahmen? Da weder Petro Dyminskyj noch Ihor Kolomojskyj wohl bereit wären, ihre Anteile am Club ohne Gegenleistung aufzugeben, liegt die Vermutung nahe, dass sie selber oder in Form von Briefkastenfirmen hier begünstigt sein könnten, um die ganze Geschichte überhaupt ins Rollen zu bringen.

Auch hierzu gibt es aber aktuell keine konkrete Information, wodurch auch nicht ausgeschlossen werden kann, dass am Ende vielleicht sogar aus Richtung der aktuellen Eigentümer noch ein Veto kommen könnte.

Ebenso aus der Spekulationskiste, aber nicht ganz von der Hand zu weisen wäre die These, dass die Clubeigentümer von vorn herein darauf spekuliert haben könnten, dass der Pachtvertrag unterzeichnet, dann aber die Übernahme durch die Stadt am Ende im Sand verlaufen würde, wodurch sie am Ende an die begehrte Einnahmequelle kämen, ohne das Eigentum am Club aufgeben zu müssen.

Die aktuelle finanzielle Situation

Aktuell ist eigentlich nur eines bekannt: Es wurden Gehälter für November gezahlt, der Club ist also weiterhin im Rückstand, und es wurden neue Spieler verpflichtet. Offenbar ist aktuell Geld vorhanden, wenn auch wohl in begrenztem Umfang. Ob das – vor allem angesichts der Tatsache, dass die großen Änderungen wohl noch auf sich warten lassen werden – bis zum Saisonende reicht, kann man wohl aktuell nicht als gesichert betrachten.

Ausblick

Es bleibt vieles im Unklaren. Quellen zufolge soll es nächste Woche Gespräche zwischen Vertretern der Stadt und des Clubs geben. Ob dort überhaupt Entscheidungen getroffen könnten, wenn man sich denn auf etwas einigte, ist angesichts der oben ausgebreiteten Umstände eher fraglich.

Wir werden also offenbar noch für eine ganze Weile mit der aktuellen Unklarheit leben müssen und hoffen, dass zumindest der Spielbetrieb weiter finanziert werden kann, bis die noch offenen Fragen geklärt und die dann beschlossenen Änderungen umgesetzt werden.