Orest Lebedenko spricht in seinem großen Interview mit Lzubomyr Kusmyak über den CD Lugo, seine Mannschaft in Spanien, seine Zeit bei Olimpik und Karpaty.

Am Samstag kam es in der spanischen Segunda im Spiel CD Lugo gegen Sporting Gijón zu einem ukrainischen Aufeinandertreffen. Orest Lebedenko stand in der Startelf der Gastgeber, während für die Gäste Bohdan Milovanov und Vasyl Kravets aufliefen. Das Spiel endete 1:1 unentschieden und Milovanov erzielte eines der Tore.
Besonders interessant war das Aufeinandertreffen auf der Flanke zwischen Lebedenko und Milovanov, die seit langem befreundet sind und sich nun schließlich auf dem Platz in gegnerischen Teams begegneten. Während Bohdans Ausbildung in Spanien stattgefunden und er dort einen bedeutenden Teil seines Lebens verbracht hatte, ist die laufende Saison für Orest ein weiterer Versuch, in den spanischen Fußball zurückzukehren.
In einem Interview mit Football 24 sprach Lebedenko über das angenehme Leben in Lugo, eine widersprüchliche Erfahrung bei Olimpik und seinen schweren Abschied von seinem Heimatverein Karpaty.
Ich habe die positivsten Emotionen aus diesem Spiel mitgenommen. Ich bin in sehr gutem Kontakt mit Bohdan Milovanov, dem Verteidiger von Sporting. Von einem solchen Treffen auf dem Platz hatten wir schon lange geträumt. Selbst als wir für die Jugendnationalmannschaft der Ukraine zusammen spielten, dachten wir, dass wir einander eines Tages in gegnerischen Mannschaften gegenüberstehen würden. Und so geschah es. Zweifellos wollten wir beide gewinnen – obwohl das Ergebnis von 1:1 auch ganz in Ordnung ist.
Träumst Du jetzt von einem nächsten Treffen mit Bohdan, dann aber in der Primera? Hat Lugo sich eine solche Aufgabe gesetzt?
Im Allgemeinen macht hier niemand laute Ansagen. Unser Ziel ist es, jedes Spiel zu gewinnen und dabei ordentlich auszusehen.
Zurück zum Treffen mit Milovanov auf der dem Platz. Musstet Ihr 90 Minuten lang Eure Freundschaft vergessen?
Sobald ich auf den Platz war, abstrahierte ich von meiner Freundschaft mit Bohdan und davon, dass Ukrainer in der Mannschaft von Sporting spielten. Eine banale Arbeitssituation, in der ich mich ausschließlich darauf konzentrierte, meinem Team zu helfen. Zufällig hat Bohdan ein Tor geschossen, ich habe ihm gratuliert. Dies ist Milovanovs erstes Tor in der Segunda. Nach dem Spiel sagte er, dass es schwierig sei, gegen uns zu spielen. Das ist natürlich schön zu hören.
Seinerzeit hat Dir ein anderer Ukrainer, Vasyl Kravets, beim Einleben in Lugo geholfen. Seid Ihr eng verbunden?
Nein, ich kommuniziere nicht so viel mit ihm wie mit Bohdan. Das ist eine ganz gewöhnliche, einfaches Verhältnis, einfach wie mit Bekannten.
Du bist der einzige nicht-hispanische Spieler Lugo. Während früher zum Beispiel der Georgier Giorgi Aburjania noch im Team war, bist Du heute der einzige Legionär, mit Ausnahme des Bolivianischen Spaniers Jaume Cuéllar.
Damit gibt es überhaupt keine Probleme. Als ich nach der Zeit bei Olimpik nach Lugo zurückkehrte, hatte ich den Eindruck, dass ich gar nicht weg gewesen sei. Die Jungs, die ich kannte, waren immer noch im Team, daher war es sehr einfach. Die neuen Spieler lernte ich dann quasi unterwegs kennen. Ich war mit neu gesammelter Erfahrung nach Spanien zurück gekehrt. Entsprechend fühle ich mich im Team und im Alltag besser. Jeder Tag gibt mir mehr Sicherheit.
Würdest Du Deine Spanischkenntnisse als fließend bezeichnen?
Ich spüre keine Sprachbarriere, habe keine Verständigungsschwierigkeiten – alles super. Im Alltag fällt mir die Kommunikation leicht. Wenn es um etwas ernsteres geht, wie etwa irgendwelche Dokumente, dann ist es schwieriger. Da gibt es dann neue und unbekannte Wörter. Ich habe zum Beispiel einen Hund in Spanien – manchmal muss ich mich dafür mit einer Reihe von Fragen auseinandersetzen. Ich spreche mich mit allen ab, jeder versteht mich.
Bringst Du den Spaniern ukrainische Wörter bei?
Jeder hier kennt die Anrede „Bruder“. Manchmal fragen mich welche nach einigen unserer Wörter, ihrer Bedeutung, aber sie vergessen es sofort. Es ist furchtbar schwer für sie. Wenn ich mit meiner Mutter telefoniere oder ich mit jemandem Sprachnachrichten austausche, dann ist die Reaktion der Spanier: „zhu-zhu-zhu-zhu-zhu“. Das heißt so viel wie „ich verstehe überhaupt nichts“.
Dies ist Deine dritte Saison in Lugo. Bist Du mit den Lebensbedingungen, Küche und anderen Sachen, die nichts mit Fußball zu tun haben, zufrieden?
Voll und ganz! In Lugo, genauer gesagt in der Provinz Galizien, gibt es eine luxuriöse Küche, vielleicht die beste in ganz Spanien. Hier gibt es extrem hochwertige und leckere Meeresfrüchte. Ehrlich gesagt habe ich spanisches Essen in der Ukraine vermisst. Ich liebe Pulpo, also gekochten Oktopus. Paella mag ich auch.
Was ist mit Borschtsch und anderen ukrainischen Gerichten?
Natürlich vermisse ich die. Ich würde jetzt zu Borschtsch mit Warenyky nicht nein sagen (lächelt). Schließlich ist hier bis auf diese beiden Gerichte alles wie in der Ukraine.

Ein weiterer Vorteil von Lugo ist seine Lage. Besuchst Du manchmal zur Erholung das benachbarte La Coruna?
Ja, ich war mit meiner Freundin noch vor dem Trainingslager zur Saisonvorbereitung dort – es gibt wunderschöne Strände. Aktuell gibt es viele Spiele anstrengende Trainingseinheiten und einen schwierigen Zeitplan. Wenn wir dann mal einen freien Tag haben, möchten wir ihn zu Hause verbringen. Es gibt hier jedoch wirklich viele Möglichkeiten für einen schönen Urlaub.
Die Bevölkerung von Lugo beträgt ungefähr 100.000. Hast Du eine besondere Einstellung der Menschen hier gespürt?
Hier nehmen die Menschen Fußballspieler auf besondere Weise wahr, es ist schwierig, diese Gefühle richtig zu erklären. Es scheint, als ob Fußballer anders sind – sie werden auf der Straße, in Geschäften besonders wahrgenommen. Jeder erkennt Dich, fragt. Einmal war ich mit meiner Freundin und dem Hund spazieren. Da begegnete uns ein alter Mann. Ich trug Maske und Kapuze, und trotzdem erkannte er mich! Ich war wirklich überrascht, das war sehr schön.
Du bist 23 Jahre alt, was Dich jedoch nicht daran hindert, einer der Jüngsten im Team zu sein. Wie fühlst Du dich neben dem 38-jährigen Fernando Seoane, der seit 2012 in Lugo ist, oder Carlos Pita, der fast 37 Jahre alt ist und seine zwölfte Saison im Team verbringt?
Carlos ist unser Kapitän, ein sehr guter Mann. Ein wahrer Anführer, das ganze Team hört auf ihm zu und respektiert ihn sehr, jeder kann auf seine Unterstützung zählen. Pita teilt seine Erfahrungen, spricht mit dem Trainerstab. Carlos ist aktuell verletzt, aber die Trainer registrieren ihn zum Spiel, weil seine Anwesenheit in der Umkleidekabine wichtig für die Mannschaft ist – das zeigt, was für einen Status er in der Mannschaft hat. Was Seoane angeht, ähnelt er N’Golo Kanté ein wenig, nur etwas älter. Fernando nimmt mir auf eine solche Art den Ball ab, die ich nur von ihm lernen kann.
Ein weiterer erfahrener Spieler im Team ist Xavi Torres, der einst in Barcelona spielte.
Er ist 34, aber glauben Sie mir, er sieht toll aus. Sein Denken, seine Ballbehandlung, sein Laufen. Wenn ich das wahre Alter von Xavi Torres nicht wüsste, würde ich es nicht glauben. Er ist ein sehr starker Spieler, denke ich, einer der stärksten Spieler, mit denen ich je gespielt habe.
Deine Erfahrung in Lugo ist etwas besonders, weil Du zum zweiten Mal versuchst, in dieser Mannschaft Fuß zu fassen. Hast Du nach Deiner Rückkehr in die Ukraine den Kontrast zwischen den Stilen gespürt?
Ich war nicht mit der Hoffnung, dort zu bleiben, zu Olimpik gegangen. Das hatten alle sehr gut verstanden – ich war auf Leihbasis dort. Ich passte mich an, musste mich beweisen und dann das, was vorher in Lugo bereits gewesen war, verbessern. Zum Glück gab es bei Olimpik sehr gute Mentoren: Vicente Gómez und Ihor Klimovskyj. Ich möchte auch noch andere nennen: den Athletiktrainer Anton Dyatschenko, den Analytiker Kirill Masur, den Torwarttrainer Vladimir Timenko. Die Arbeit unter ihrer Anleitung ist für mich eine sehr nützliche Erfahrung.
Die Zusammenarbeit mit Vicente konnte den Eindruck erwecken, als ob Du Spanien nicht verlassen hättest?
Ja, sehr interessante Gefühle – als ich ankam, bemerkte ich überhaupt keine Unterschiede. Alles das selbe! Der Trainingsplan war ähnlich, ich fühlte mich so gut wie nur irgend möglich.
Konntest Du glauben, dass Olimpik sich aus der UPL zurückziehen würde?
Ehrlich gesagt habe ich mir bis zum letzten Spieltag nicht vorstellen können, dass so etwas passieren kann. Letzter Spieltag, dann noch ein Monat nach Beendigung der Saison, und ich dachte, alles sei in Ordnung. Als es dann begann, dass über eine Auflösung der Mannschaft gesprochen wurde, machte ich mir Sorgen, ich rief die Jungs an. Leider passierte es dann, das war die Entscheidung des Präsidenten.
Hast Du ohne offene Rechnungen den Donezker Club verlassen?
Ja, ich möchte dafür Vladislav Geltsin danken. Als ich den Vertrag unterschrieb, hatten wir uns auf bestimmte Bedingungen geeinigt. Der Präsident gab sie bekannt und änderte sie auch nicht mehr. Ich war angenehm überrascht, dass Vladislav Hryhorovytsch ein Mann ist, der zu seinem Wort steht. Er ist ein wunderbarer Mensch und ein guter Anführer.
Yaya Touré arbeitete im Trainerstab von Olimpik. Welchen Eindruck hattest Du von dem berühmten Ivorer?
Ehrlich gesagt hatte ich etwas mehr von ihm erwartet. Ich dachte, er würde etwas Neues ins Team bringen, frische Ideen. Allerdings war Yaya etwas verschlossen. Sympathisch und lustig, wenn du mit ihm tête-à-tête im Gespräch bist. Aber was das Training angeht, fehlte es ein wenig an Aktivität. Ja, er gab Hinweise. Es war jedoch nicht das Gefühl, dass Toure vollständig in den Trainingsprozess eingetaucht war, den Fußball lebte. Wir haben nur einmal über seine Erfahrungen bei Manchester City und Barcelona gesprochen. Kurz gesagt, ich hatte mehr erwartet. Vielleicht hatte es auch mit den Ergebnisse zu tun. Die letzten sechs Monate zeigten wir uns schrecklich, und das beeinflusste alles.
Du warst auf Leihbasis dort, wurdest aber zu einem der Anführer bei Olimpik. Die Presse fing sogar an, Dich mit Soriya Luhansk in Verbindung zu bringen.
Mir hatte man überhaupt nichts gesagt, ich wusste gar nichts. Mein Berater erzählte etwas Oberflächliches, aber auch nicht mehr. Persönlich habe ich mit niemandem über dieses Thema gesprochen. Ich wachte morgens auf, und sah, dass sie über meinen möglichen Wechsel zu Soriya schrieben – ich war schockiert.

Aktuell verfolgt der grün-weiße Teil von Lviv genau den Prozess der Wiederbelebung von Karpaty. Kann man Dich einen treuen Fan der „Löwen“ nennen?
Natürlich. Als ich vor einiger Zeit in Lviv var, trainierte ich sogar mit Karpaty, bevor ich dann nach Spanien ging. Ich verbrachte die Woche unter der Leitung von Andrij Tlumak. Mir hat alles sehr gut gefallen, besonders der Ansatz von Andrij Bohdanovich. Der Verein war gerade erst in der Druha Liha (ukr. 3. Liga) angekündigt worden, aber dort lief alles so seriös ab wie möglich. Bemerkenswert ist die hohe Trainingsintensität. Ich kenne Tlumak seit meiner Zeit in der Karpaty-U19, das ist für mich daher nichts Neues. Aber er hat sich als Trainer sehr verändert.
Ist alles professioneller geworden?
Das war auch früher schon so. Andrij Bohdanovich ist ein Maximalist, will immer gewinnen. Auch im Training. Selbst im Quadrat will er gewinnen! Andere solche Leute habe ich nie getroffen. Manche Leute machen im Quadrat Albernheiten, aber Andrij Bohdanovich meint es ernst.
Schaust Du Dir ukrainischen Fußball an?
Ich schaue mir regelmäßig die Europapokal-Spiele an. In der ukrainischen Meisterschaft interessiere ich mich für Shakhtar, Dynamo, Soriya und Worskla. Kurz gesagt, ich verfolge die Spitzenteams. Neben den Großen mag ich vor allem Vorskla, Soriya und SK Dnipro-1.
Dein Weg zum Fußball war ziemlich schwierig. Denkst Du oft an diese Schwierigkeiten?
Zweifellos kommt das vor. Zum Beispiel, wenn sich Faulheit oder Unwillen zeigen, etwas zu tun. Dann erinnere ich mich, warum ich hier bin. Regelmäßig nachmittags trainieren wir nach Plan im Fitnessstudio. Das Unanbenehme daran ist, dass wir ans andere Ende der Stadt müssen. Und du liegst müde da, es ist nicht leicht, Kraft in dir selbst zu finden. In diesem Moment erinnere ich mich an alles, was passiert ist, an all die Mühen in meiner Kindheit. Und ich verstehe, dass ich jeden Tag arbeiten muss.
Du bist nicht auf Anhieb in die Karpaty-Förderklasse gekommen.
Ja, das ist überhaupt eine ungewöhnliche Geschichte. Ich spielte für den Bezirk Pustomyty – unsere Mannschaft ging zum Turnier des Hl. Nikolaus in Mykolayiv, dem Bezirkszentrum der Region Lviv. Obwohl ich 1998 geboren bin, spielte ich damals für die Jüngeren. Zwei meiner Freunde und ich wurden „geschmiert“ und ein Jahr jünger gemacht – niemand wusste davon. Wir gewannen das Turnier, woraufhin ein Mann im Karpaty-Outfit auf uns zukam: „Was hältst Du davon, zum Vorspielen für die Mannschaft des 1999-Jahrgangs vorbei zu kommen?“ Ich kam zum Training zu Vitaly Shumskyj und erfuhr fast sofort, dass ich bestanden hatte. Und da musste ich die Karten auf den Tisch legen.
Hat Dir das den Weg ins Team versperrt?
Ich wurde zusammen mit den 1998 geborenen Jungs zur Prüfung geschickt und bestand sie nicht. Ehrlich gesagt wollte ich in diesem Moment überhaupt nichts. Außerdem war die Lernumgebung schwierig. Immer, wenn alle Schüler in der Karpaty-Förderklasse lernten, musste ich vom Dorf anreisen. Das Training begann um 08:30 Uhr. Ich musste um 04:30 Uhr aufstehen, um es zu schaffen. Infolgedessen blieb ich nicht bei Karpaty und landete in Pokrova. Dort verbrachte ich zwei Jahre, reifte und kehrte gestärkt zurück.
Viele Jahre später fiel es Dir sehr schwer, Karpaty zu verlassen.
Als ich den Vertrag mit Lugo unterschrieb, weinte ich einfach nur. Es war unglaublich, dass ich die Karpaty verließ. Es war sehr seltsam für mich. Das war eine Komfortzone. Als ich sie verließ, passte nichts mehr richtig… Ich sehe ein Blatt Papier vor mir, das ich unterschreiben muss. Wahnsinnige Verwirrung.
Oleh Smalijtschuk sagte, dass Karpaty profitablere Angebote vorgelegen hätten als das von Lugo.
Von anderen Optionen wusste ich nichts. Ich war ein 19-jähriger Junge. Was für Angebote? Sie sagten mir „Lugo“, und das war’s. Ich erinnere mich an einen Rat von Artem Fedetskyj, der mir sehr geholfen hat. Er sagte wichtige Worte: „Je früher Du deine Komfortzone verlässt, desto stärker wirst Du später sein.“ Sein Rat erwies sich als wirksam und praktikabel.
Deine dritte Saison in Lugo läuft. Hast Du darüber nachgedacht, was als nächstes kommt?
Mein Vertrag läuft nach der nächsten Saison aus. Ehrlich gesagt habe ich noch nicht an die Zukunft gedacht. Ich möchte mich durch wirksame Aktionen profilieren und dem Team helfen. Was als nächstes kommt, weiß ich nicht. Es hängt alles von mir ab und davon, wie die Mannschaft spielen wird.
Original: Futbol 24, Verwendung mit freundlicher Genehmigung