Entscheidung des Stadtrats: Reaktionen und Vorschläge

Nach der Entscheidung des Stadtrats von Lviv zum Antrag der Überlassung des Geländes um das Stadion „Ukrajina“ gab es einige überraschte Gesichter und auch deftige Kommentare. Aber wichtiger als Sprüche ist natürlich die Frage nach den jetzt noch verbleibenden Optionen.

sadowyj.jpg
Bürgermeister Andrij Sadowyj, Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Vizepräsident Yashchyshyn hatte noch am Donnerstagabend schwere Vorwürfe gegen Hryhorij Koslowskyj, seines Zeichens Präsident des Zweitligisten Rukh Lviv und gleichzeitig Abgeordneter im Stadtrat, erhoben, jener habe sich offen und aktiv dafür eingesetzt, den Antrag abzulehnen – was dann ja am Ende auch geschah.

In einer Stellungnahme begründete Koslowskyj seine Ablehnung u.a. damit, dass Karpaty hier durch zwei Offshore-Firmen in Zypern (die Präsident Dyminskyj gehören) vertreten würden. Außerdem würde durch den Vertragsentwurf das Stadion faktisch exklusiv einem Club überlassen, von dem nicht einmal gesichert sei, dass er sportlich erstklassig bliebe – es müssten die Interessen aller in Lviv spielenden Clubs berücksichtigt werden. Schließlich schlug er vor, dass der Club durch die Stadt übernommen werden solle, um ihn zu retten, und er würde einen derartigen Antrag in die nächste Stadtratssitzung einbringen.

Bürgermeister Sadowyj zeigte sich enttäuscht von dem Abstimmungsergebnis und bekräftigte, dass er das Projekt unterstütze und das seinige tun wolle, den Club zu retten. Ein Problem bei der Abstimmung gestern sei gewesen, dass sie recht spät stattgefunden habe und eine größere Anzahl der Abgeordneten dann schon gar nicht mehr anwesend gewesen seien. Er wolle daher die Abstimmung wiederholen, wozu er allerdings eine Zweidrittelmehrheit benötigte. Vom Vorstoß Koslowkyjs, die Stadt solle den Verein übernehmen, hielt er nicht viel.

Was sagt uns das alles?

Zunächst einmal fällt auf, dass ausgerechnet Hryhorij Koslowskyj in dieser Situation zum Gegenspieler mutiert ist. Die Beziehungen zwischen Karpaty und seinem Club sind seit Jahren gut, und Koslowskyj hatte selber von noch gar nicht langer Zeit durch seine Initiative den Club vor einer langen Transfersperre im Zusammenhang mit der Affäre um Volodymyr Hudyma gerettet.

Natürlich kann man über seine Motive nur spekulieren. Dass Karpaty-Präsident Dyminskyj mit dem Stadionprojekt vor allem seine eigenen Interessen verfolgt, wovon der Verein dann eher mittelbar profitieren würde, ist natürlich allen bekannt, und das gefällt sicher vielen nicht – so wie offenbar auch Koslowskyj. Natürlich ist seine Bemerkung über die beiden Offshore-Firmen in Zypern völlig zutreffend, aber natürlich ist das eben auch nichts, worüber in der Ukraine heute irgendjemand überrascht wäre – derartiges gehört (leider) zu der Art, auf die im immer noch fast vollständig von oligarchischen Mäzenen abhängigen ukrainischen Profifußball gearbeitet wird.

Wenn man sich die derzeitige Tabellenposition des FK „Rukh“ anschaut – Tabellenführer und somit Anwärter auf einen Aufstieg in die UPL – offenbart sich etwas anderes, das die Haltung seines Präsidenten erklären könnte. Anders als in all den Jahren zuvor besteht derzeit eine sehr realistische Möglichkeit, dass Rukh in der nächsten Saison sportlich zur Nummer 1 der Stadt werden könnte. Sollte das eintreten, wäre möglicherweise ein Umzug in ein größeres Stadion geboten, und da gibt es mit der Arena Lviv und dem Stadion „Ukrajina“ derzeit zwei Optionen. Die Arena ist sehr teuer in der Miete, weshalb auch Karpaty dort schon lange nicht mehr spielen. Ein Vertrag zur Nutzung des Stadions „Ukrajina“, der irgendwie exklusive Rechte für Karpaty vorsieht, läge daher ganz sicher nicht in Koslowskyjs Interesse.

Der Vorschlag, Karpaty von der Stadt übernehmen zu lassen, scheint nicht seriös. Zunächst müsste der auf 30 Mio Euro geschätzte Preis bezahlt werden, an dem allein so ein Deal schon scheitern würde. Nach einer etwaigen Übernahme war dann die Rede von 50 Mio Hryvnya (knapp 2 Mio Euro) Jahresbudget. Eine Entwicklung in Richtung obere Tabellenhälfte wäre damit nicht zu stemmen, und ob Stadtratabgeordnete besonders qualifiziert wären, einen Profifußballclub zu führen, lassen wir mal dahingestellt.

Wie die Chancen bei einer erneuten Abstimmung stünden, ist schwer zu beurteilen. Sadowyj hatte natürlich recht, dass es sehr viele Enthaltungen gab (25 von 56 Stimmen). Allerdings wären „ja“-37 Stimmen notwendig, um auf die 2/3-Mehrheit zu kommen, die offenbar erforderlich ist. Es wirkt nicht besonders wahrscheinlich, dass das gelingt.

Am wahrscheinlichsten scheint aktuell, dass es weitere Verhandlungen gibt und dann ein neuer Antrag erarbeitet wird, für den wieder nur eine absolute Mehrheit notwendig wäre. Dabei ist nach wie vor offen, wie am Ende der Stadtrat entscheiden und auf der anderen Seite, wie flexibel sich Petro Dyminskyj bei einem solchen Prozess zeigen würde.

Wie gesagt. Für einen Schwanengesang ist es noch zu früh. Es wird noch über eine ganze Menge Wendungen und Widersprüchlichkeiten zu berichten sein, bis wir wirklich wissen, wie dieses Drama endet.