Heute vormittag erreichte uns eine Nachricht, dass in Lviv gerade ein zweiter „FK Karpaty“ registriert worden ist, der mit dem existierenden Club nicht verbunden ist. Wir schauen uns an, was darüber bekannt ist und was das bedeutet.

Das Unternehmen hinter dem neuen Club heißt „Sakhidnyj Buh“ (der Name bezieht sich offenbar auf den Fluss in der Ukraine) und hat ein genehmigtes Kapital von 1 Mio Hryvnya.
Wie verlautbart wurde, ist in naher Zukunft eine Pressekonferenz geplant, die Informationen über weitere Aktivitäten und die Entwicklung des Clubs liefern soll. In der näheren Zukunft würde die Gruppe noch durch weitere Mitglieder erweitert und auch noch einige Unternehmen aus Lviv zum genehmigten Kapital des Unternehmens beitragen, das später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden solle.
Bei den Vertretern der Gruppe finden wir einige bekannte Namen:
- Generaldirektor des Unternehmens ist Stepan Yurshchyn, ein früherer Fußballspieler und Trainer, der auch schon bei Karpaty unter Vertrag gestanden hatte.
- Cheftrainer der Mannschaft soll der frühere Karpaty-Torwart Andrij Tlumak werden.
Die Gruppe hat eine Presseerklärung veröffentlicht, die auch noch von einigen weiteren prominenten Namen unterzeichnet wurde:
- Ihor Kultschytskyj – früherer Karpaty-Spieler und Mannschaftskapitän (1968-1970)
- Rostyslav Pototschnyak – früherer Karpaty-Spieler und Mannschaftskapitän (1976-1977)
- Oleksandr Chyzhevskyj – früherer Karpaty-Spieler und Mannschaftskapitän (1994-1999), jetzt Trainer bei Agrobisnes
- Ihor Khudobyak – früherer Karpaty-Spieler und Mannschaftskapitän (2010-2013, 2016-2017)
- Myron Markewytsch – früherer Karpaty-Cheftrainer
Gerade von Markewytsch war ja schon vor einer Weile bekannt geworden, dass er hinter dem neuen Eigentümer Oleh Smalijchuk niemand anders als Petro Dyminskyj vermute. Auch Chyzhevskyj hat sich mehrfach sehr skeptisch geäußert.
Die erwähnte Presseerklärung hat nun folgenden Wortlaut:
In den letzten Jahren waren wir alle beunruhigt über die Situation um Karpaty Lviv – ein Club, dem wir zu verschiedenen Zeiten jeweils einen Teil unseres Lebens gewidmet haben. Der lange Konflikt zwischen den beiden Miteigentümern und die finanziellen Probleme des Vereins führten in der letzten Saison der Premier Liha zum skandalösen Ausschluss des Vereins vom Wettbewerb und zum Wechsel in die unterste Klasse des [ukrainischen] Profifußballs. Fast alle wichtigen Spieler haben das Team verlassen, das sich nach 4 Niederlagen in den ersten 5 Spielen praktisch am Ende der Druha Liha (ukr. 3. Liga) befindet. Vergangene Woche ist der Verein regelrecht aus seinem Vereinszentrum in Bryukhovytschi, wo er jahrzehntelang trainiert hatte, geworfen worden, welches jetzt eine andere Mannschaft aus Lviv beherbergt. Um die Grundlage für die Ausbildung talentierter junger Fußballspieler zu retten, wurde die Übergabe der Kinder- und Jugendfußballschule des Vereins an die Stadt akzeptiert.
Der letzte Punkt in dieser „Geschichte“ war für uns das Ablegen des traditionellen Wappens mit einem goldenen Löwen auf grünem Hintergrund.
Uns sind wiederholte Angebote über finanzielle Unterstützung oder den Kauf des Clubs durch lokale Unternehmen bekannt, die durch die derzeitigen Eigentümer des Clubs alle unbeantwortet blieben. Wir verstehen die Gründe für diese Einstellung der Eigentümer zum Club nicht, aber wir sehen das Resultat ihres Handelns – der legendäre Club ist fast zerstört.
Wir können angesichts dieser Situation nicht einfach nur daneben stehen. Unter uns sind diejenigen, die 1963 bei der Gründung des Vereins beteiligt waren, die Mannschaft 1969 zum Sieg im Pokal der ehemaligen UdSSR führten, 1998 die Bronzemedaille in der Meisterschaft der unabhängigen Ukraine gewannen und 2010 in der Gruppenphase der Europa League kämpften.
Wir sehen keinen anderen Ausweg aus dieser Situation als die Wiederbelebung des legendären Teams von Grund auf. Eines Teams mit dem Herzen eines Löwen und immer treuen Fans, mit Mitteln aus ehrlichen und transparenten Geschäften und der Unterstützung der Lviver Community.
Und wenn es dafür notwendig ist, wieder den ganzen Weg von der Gründung eines Clubs zu gehen, ist jeder von uns, wo immer er sich heute befindet, bereit, all seine Erfahrung, seinen wahren Karpatengeist und seinen Glauben an den Sieg an den wiederbelebten Verein weiterzugeben.
„Karpaty in Lviv werden leben!“
Hier haben wir nun also eine Gruppe, die bereit ist, den Weg einer kompletten Neugründung zu beschreiten, den Oleh Smalijchuk und Serhij Bolotnikov als nicht wünschenswert klassifizierten, weil in dadurch die noch verbliebenen Spieler vertraglos würden und in der Amateurliga nicht das notwendige Geld verdient werden könne, um den Verein auf eigenen Beinen stehen zu lassen.
Nun ist natürlich ein Unterschied offensichtlich: Smalijchuk will einen Club schaffen, der sich selber finanzieren kann (ob das in der Ukraine überhaupt möglich ist, ist eine andere Frage, aber dazu später), während die hier genannte Gruppe hofft, durch lokale Unterehmen das notwendige Kapital zusammenzubekommen, das dem Club die nötigen Geldmittel verschafft.
Somit hätten wir dann zwei, die gern das selbe – nämlich der FK Karpaty – sein würden:
- Der existierende professionelle Fußballclub FK Karpaty hat einen Platz in der Druha Liha, Namens- und Eigentumsrechte – etwa am noch verbliebenen Kader – Schulden und Forderungen (die sich ungefähr die Wage halten dürften). Gleichzeitig verfügt er über keine Investoren, die Gelder für die Verstärkung des Kaders oder eine erneute Anmietung des verlorenen Vereinszentrums zur Verfügung stellen könnten. Es gibt eine Absprache mit der Ultras-Vereinigung, die das alte Vereinswappen erhalten hat, dass dies an den „neuen“ FK Karpaty zurückübertragen werde, wenn die Vereinsführung ihre Versprechen erfüllt habe. Ob das angedachte langfristige Finanzierungskonzept in einem Land wie der Ukraine überhaupt umsetzbar ist, scheint zumindest nicht sicher, solange die Konkurrenz durch großzügige Zuwendungen von außen finanziell immer einen Schritt voraus ist.
- Das neue Unternehmen hat einen Club gegründet, der „zufällig“ genau so heißt, hat weder Spieler noch einen Anspruch auf das traditionsreiche Vereinswappen (vielleicht macht man sich ja Hoffnung, die derzeitigen Rechteinhaber zu einer Übergabe an „jemand anders“ überzeugen zu können). Gleichzeitig sind Personen involviert, deren Wort Gewicht hat und, falls den Worten hier Taten folgen, es stünden die dem „alten“ FK Karpaty so fehlenden Geldmittel zur Verfügung. Man verfügt offenbar über finanzielle Mittel und macht sich Hoffnung, noch weitere Investoren gewinnen zu können.
Es scheint deutlich, dass keiner der beiden aktuell in der Lage wäre, die Krise des Clubs zu beenden, ihn auf stabile Beine zu stellen, einen starken Kader aufzubauen, der bald schon weiter oben angreifen kann und den Club unter seinem traditionellen Wappen langfristig zu stabilisieren.
Wenn man beide Seiten beim Wort nimmt, ist jedoch nicht zu erkennen, dass ihre Konzept miteinander unvereinbar sein sollen:
- Unterstützung durch seriöse Unternehmen widerspricht nicht der Idee eines Clubs nach europäischem Muster. Es muss eben sichergestellt werden, dass der Club nicht wieder zum Spielzeug wird.
- Es kann in niemandems Interesse liegen, im Amateurfußball anzufangen, wenn man doch – mit entsprechender Unterstützung – in zwei Jahren wieder in der UPL spielen könnte.
- Oleh Smalijchuk hat immer gesagt, dass er als Person eigentlich unwichtig ist. Das ist er sicher nicht, aber wenn die andere Seite keine Ziele verfolgt, die dem Interesse des Clubs grundlegend widersprächen, wäre ein Kompromiss sicher im Interesse des Clubs.
- Die neue Gruppe ihrerseits müsste sich aber auch bewegen, da mit einem „Feindbild Smalijchuk“ ein Kompromiss und ein Zusammenbringen der Anstrengungen sicher nicht möglich wäre.
Fazit: es kann nicht in unserem Interesse liegen, dass jetzt zwei Fraktionen jeweils einen Teil der Fans und Funktionäre in Lviv auf ihre Seite ziehen und aufeinander los gehen. Wenn beiden wirklich Karpaty Lviv wichtiger ist als persönliche Ambitionen (was man aufgrund bisheriger Erfahrungen leider nicht immer voraussetzen kann), könnte man das zeigen, indem man aufeinander zu geht. Beide Seiten haben etwas, was der anderen fehlt.
Insofern wäre ein wünschenswertes Ergebnis, dass dieser Schock zu einem heilsamen Weckruf wird. Dazu wird es aber nötig sein, dass auf beiden Seiten von Radikalpositionen Abstand genommen und der Gedanke zugelassen wird, dass man gemeinsam stärker ist als jeder für sich.