Karpaty Lviv – Quo Vadis?

Die Saison 2020/2021 in der Druha Liha (ukr. 3. Liga) ist nur noch 3 Spieltage von ihrem Abschluss entfernt. Wie wird es dann mit Karpaty Lviv weiter gehen? Die Clubführung bittet um Geduld und erklärt, dass eine vorzeitige Enthüllung der Pläne alles verderben könnte. Gleichzeitig sind in den letzten Wochen Meldungen und Gerüchte zu diesem Thema aufgetaucht. Wir versuchen uns in einem unaufgeregten Blick auf die Lage.

Photo: © Informationszentrum «FK Karpaty»

Wie wir wissen, tritt Karpaty Lviv zur Zeit mit einer Jugendauswahl in der Druha Liha an, die sich nach einer schwachen Hinserie allen Unkenrufen zum Trotz seit der Winterpause stabilisiert hat und gut entwickelt – obwohl in beiden Transferfenstern die talentiertesten Spieler an den Lokalrivalen mit den drei Buchstaben abgegeben wurden.

Wir wissen auch, dass ein zweiter „Karpaty“-Club in der Druha Liha antritt – Karpaty Halytsch aus dem Ivano-Frankivsk-Gebiet. Was schon früh die Spatzen von den Bäumen gepfiffen hatten, bestätigte auch die Karpaty-Vereinsführung, als sie erklärte, dass sie eine „Erneuerung“ des Clubs geplant hatte, indem Name und Wappen auf den Halytscher Club übertragen würden. Dieser Plan war aber zu Beginn der Saison daran gescheitert, dass der Lviver Fußballverband sich weigerte, die Registrierung des Ivano-Frankivsker Clubs in Lviv zu akzeptieren.

Nicht wenige vermuteten, dass hier auch eine Rolle spielte, dass die Führung des Lviver Fußballverbands aus Leuten der anderen beiden Lviver Erstligisten bestand, die kein Interesse daran hatten, den früheren Platzhirschen wieder erstarken zu lassen. Die Registrierung von Karpaty Lviv wurde zu Saisonbeginn zudem auch nur unter der Bedingung angenommen, dass der Club bis zum Saisonende alle seine Schulden beglichen hätte. Dazu gleich mehr.

Im Verlauf dieser Saison tauchte nun noch ein dritter „Karpaty“-Club auf. Finanziert durch einige Lviver Unternehmen und unterstützt durch Lokalpolitiker und einige Karpaty-Veteranen wurde ein neuer Verein registriert, der ebenfalls als „Karpaty“ firmierte und in der Amateurliga in den Spielbetrieb einstieg. Trainer der neu zusammengestellten Mannschaft wurde eine weitere Karpaty-Legende, der frühere Torwart Andrij Tlumak. Der neue Club machte kein Geheimnis daraus, dass man dort glaubte, die neue Karpaty-Führung (Smalijtschuk und Bolotnikov) würden den geliebten Club ruinieren, weshalb ein neuer geschaffen werden müsste. Man geht davon aus, dass diese Mannschaft in der kommenden Saison in der Druha Liha spielen wird.

Die Saison nahm ihren Lauf. Halytsch konnte sich in den oberen 4 der Druha Liha festsetzen und hat nach wie vor noch eine Chance, den Aufstieg in die Perscha Liha zu erreichen. In den Reihen des Ivano-Frankivsker Clubs stehen Spieler aus dem Karpaty-Jugendsystem, wie Andrij Bej, Bohdan Kosak, Oleksandr Avramenko und Vadym Merdyeyev sowie frühere Karpaty-UPL-Spieler wie Vadym Straschkevytsch, Nasar Verbnyj, Viktor Khomtschenko und Yaroslav Deda. Trainer ist der frühere Karpaty-Jugendtrainer Roman Hnativ. So wie es aussieht, hat man in Lviv den Plan, mit Halytsch den Aufstieg zu erreichen und dann eine Vereinigung zu einem neuen FK Karpaty Lviv zu vollziehen, nicht aufgegeben, wobei die Frage, warum ausgerechnet jetzt die Feinde des Clubs, die den Ton im Verband angeben, plötzlich diesem Plan zustimmen sollten. Vielleicht gibt es diesen Grund. In jedem Fall ist aber hier einer von vielen Punkten, wo uns schlicht Information fehlt.

Woran es allein formal schon scheitern könnte, sind die Schulden des alten Vereins. Wie bereits erwähnt, hatte der die Lizenz für die Druha Liha nur unter der Bedingung erhalten, dass er seine zu Saisonbeginn auf etwa 3 Mio Euro bezifferten Schulden vollständig bis zum Saisonende bezahlen würde. Um das zu können, brauchte der Club erhebliche Einnahmen. Den Großteil davon hatte man durch den Transfererlös von Jorge Carrascal zu River Plate und einen Anteil von 11% am Erlös eines etwaigen Weiterverkauf des Spielers stemmen wollen. Nur stellte sich heraus, dass der argentinische Gigant selber klamm war und sich mit der Bezahlung Zeit ließ – offensichlich nicht zuletzt, weil man dort hoffte, dass bei einer Auflösung von Karpaty Lviv überhaupt nichts zu zahlen sei. Ob in der Zwischenzeit die Transfersumme bezahlt wurde bzw. zu welchem Teil, ist derzeit unbekannt.

Die Vereinsführung hat sich zur Schuldensituation in den letzten Monaten nicht geäußert. Auf Fragen, wie es weiterginge, hieß es: wartet ab, wir haben einen Plan, aber wir können jetzt noch nichts sagen, da das sonst alles zunichte machen könnte. Wie diese Pläne aussehen könnten, bzw. ob es noch einen anderen Plan als eine (wohl ohnehin zum Scheitern verurteilte) Vereinigung mit Karpaty Halytsch gäbe, ist Gegenstand von Spekulation. Dazu passend meldete der Youtube-Sportkanal TaToTake nun, nach Informationen des Moderators Andrij Senkiv sei bereits hinter den Kulissen eine Einigung mit dem „neuen FK Karpaty“ (siehe oben) über eine Vereinigung in der nächsten Saison getroffen worden, die in jedem Falle stattfinden sollte, wobei – wenn Halytsch den Aufstieg in die Perscha Liha schaffen sollte – jener noch mit „aufgenommen“ würde. Da niemand ein Interesse an zwei konkurrierenden Karpaty-Projekten in Lviv haben kann, erschien dies als eine gute Nachricht, die allerdings wie gesagt, aktuell kaum mehr als ein Gerücht ist.

Kürzlich meldete nun das Portal Meta Ratings, dass Karpaty ihre Schulden nicht bezahlt hätten und daher ihren Status als professioneller Fußballclub verlieren würden. Wenn es dazu käme, würden alle Aktiva des Clubs verloren gehen, z.B. der gesamte Kader den Status vertragsfreier Spieler erhalten. Diese Meldung ist allerdings noch nicht bestätigt, und sie ist mit Vorsicht zu genießen. Die Saison ist noch nicht zuende. Grundsätzlich hätte der Club also durchaus noch Zeit, Schulden zu begleichen. Andererseits ist bekannt, dass seine Feinde im Lviver Fußballverband im Zweifelsfall wohl eher nicht zu Gunsten des Angeklagten entscheiden dürften. Dieser Meldung nun folgte heute eine weitere, ebenfalls auf Meta Ratings, derzufolge die „zweiten Karpaty Lviv“ keineswegs die Absicht hätten, sich mit den „ersten“ zu vereinigen. Man verfüge über eine solide Finanzierung und Infrastruktur und wolle lieber allein seinen Weg gehen. Konkrete Quellen sind hier allerdings ebenso keine genannt worden.

Somit liegt nun die Information, gesicherte und Gerüchte, auf dem Tisch, aber viel schlauer sind wir noch nicht. Wie sind die beiden letzten Meldungen zu interpretieren? Gibt es die Einigung hinter den Kulissen? Zerbracht die dann vielleicht nach der Veröffentlichung auf TaToTake? Oder war die Meldung der bevorstehenden Auflösung von Karpaty Lviv Anlass, eine Zustimmung zu einer Vereinigung zurückzuziehen? Oder wird nach einer Auflösung der alte in den neuen Club aufgehen? Oder hat es eine solche Übereinkunft überhaupt nie gegeben? Ob und wann die Karpaty-Vereinsführung uns „alles“ erzählen wird, ist völlig offen. Vor Saisonende wird es auf keinen Fall passieren, aber es gibt auch keine Garantie, dass sie es direkt danach tun wird. Auch durch andere geschaffene Fakten könnten dem zuvorkommen. Somit bleibt uns – leider fast schon: wie üblich – wieder einmal nur, die Geduld nicht zu verlieren. Ob und wie es weitergeht, müsste nach menschlichem Ermessen bis zum Beginn der kommenden Saison entschieden sein. Davor werden wir vielleicht schon mehr wissen, aber eine Garantie dafür gibt es nicht.