Winterpause und Transferfenster 2019/20

Seit einigen Tagen ist das Transferfenster in der Ukraine geschlossen. Vereinswechsel sind somit nicht mehr möglich, vertragslose Spieler können allerdings weiterhin verpflichtet werden. Welche personellen Änderungen hat es bei Karpaty gegeben und was kann man bereits über sie sagen? Wir blicken zurück und nach vorn.

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Roman Sanzhar, Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Die finanzielle Situation

Der Start in die Winterpause war für Karpaty mehr als schwierig. Da der Club seit längerem keine Finanzierung durch die Besitzer (Petro Dyminskyj und Ihor Kolomojskyj) erhält und der Spielbetrieb durch Zuschauereinnahmen o.ä. praktisch kein Geld einbringt, stellen Spielerverkäufe derzeit die einzige ernstzunehmende Einnahmequelle dar.

In der Vorsaison waren zwei lukrative Deals eingefädelt worden – die Verkäufe von Marian Shved an Celtic und die Leihe mit (zum Jahresende gezogener) Kaufoption von Jorge Carrascal an River Plate brachten etwas Geld in die leeren Kassen, das aber zum Beginn der Winterpause bereits mehr als aufgebraucht war; so musste vom Verkaufserlös für Jorge Carrascal der Großteil direkt von River Plate an Carrascals frühren Club, FC Sevilla, überwiesen werden, da bei Nichtbezahlung der noch immer offenen Rechnung aus dem Wechsel des Spielers nach Lviv eine langfristige Transfersperre als Strafe der FIFA gedroht hätte. Als dann die Winterpause begann, schuldete der Verein seinen Spielern bereits zwei Monatsgehälter.

13 Abgänge

Entsprechend war mit Verkäufen von Leistungsträgern zu rechnen, aber es kam noch schlimmer. Da der Club nicht in der Lage war, seine Spieler zu bezahlen, erhielten jene das Recht, ihren Vertrag einseitig zu kündigen und sich als vertragslose Spieler ablösefrei anderen Clubs anzuschließen. Von diesem Recht machten dann auch einige Gebrauch: Oleksandr Kutscher, Serhij Vakulenko, Cristian Ponde und Oleksij Hutsulyak verließen den Club, was den Club um einige mögliche Einnahmen aus Ablösesummen brachte und die finanziellen Schwierigkeiten noch verstärkte. Andere Spieler wie etwa Roman Pidkivka, Maksym Hrysio, Oleksij Kovtun, João Diogo Jennings, Andrij Busko, Frane Vojkovic, Nika Sandokhadze und Nasar Verbnyj wurden per Vertragsauflösung freigesetzt und schließlich als einziger Francisco Di Franco für rund eine halbe Million Euro verkauft.

Während der Großteil der Abgänge bei einem Club, der meist eine größere Anzahl Perspektivspieler holt, schaut, wie sie sich entwickeln und sie ggf. einfach wieder freisetzt, zu erwarten war und nicht als problematisch zu bewerten ist, sind mit Vakulenko und Hutsulyak immerhin zwei Spieler mit nennenswertem sportlichen und auch Ablösewert als schmerzhafte Verluste zu betrachten. Trainer Roman Sanzhar stand also Anfang Januar vor einer ähnlichen Aufgabe, die Mannschaft neu aufzustellen, wie sie noch ein halbes Jahr vorher Oleksandr Chyzhevskyj gehabt hatte. Immerhin konnte Sanzhar nun seinen Worten Taten folgen lassen, hatte er doch mehr als einmal betont, dass die aktuelle Mannschaft nicht von ihm ausgesucht worden war und sich daher mit seinem taktischen Konzept schwertue.

7 Zugänge

Ob nun überhaupt Spieler verpflichtet werden könnten, stand lange Zeit in Frage, zumal die Verhandlungen mit der Stadt Lviv, dem Verein das Stadion und das umgebende Gelände langfristig günstig zu verpachten, so dass das geplante Renovierungs- und Bebauungsprojekt hätte umgesetzt werden können, nicht gut verliefen, so dass eine Wiederaufnahme der Finanzierung durch die Clubeigentümer bis heute als unwahrscheinlich gilt. Dennoch kam es zu einer Reihe Verpflichtungen, auch wenn, so Geschäftsführer Rostyslaw Yaschchyschyn, aktuell nicht klar ist, ob der Club die Mannschaft bis zum Saisonende überhaupt würde weiter finanzieren können.

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Hennadyj Pasich hat bisher einen starken Eindruck gemacht, Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Im Tor herrschte großer Handlungsbedarf, da Roman Pidkivka, nachdem er seinen Stammplatz an Oleh Kudryk verloren hatte, dem Druck nicht mehr standhielt und nach einer katastrophalen Vorstellung gegen Shakhtar (Kudryk darf gegen seinen Stammverein nicht eingestzt werden) nicht mehr zum Einsatz gekommen war. Der Nachwuchs aus der U21, namentlich Andrij Artym, zeigte sich in der Folge, als Kudryk nach zwei Platzverweisen fehlte, überfordert und wurde daher in die zweite Liga an Ahrobiznes verliehen, wo er nun unter seinem früheren Trainer Oleksandr Chyzhevskyj Spielpraxis und Erfahrung sammeln kann. Der Wunschkandidat für die frei gewordene Position war schnell gefunden – es handelte sich um den früheren Shakhtar-Torhüter Anton Kanibolotskyj, der seit einem halben Jahr vereinslos war. Die Verhandlungen gestalteten sich schwierig und galten aufgrund der Gehaltsvorstellungen des Spielers zwischendurch sogar schon als gescheitert, doch am Ende kam es dennoch zur Verpflichtung. Kanibolotskyj zeigte trotz des halben Jahrs Pause in den Testspielen starke Leistungen und galt vor dem Beginn der Rückrunde sogar schon als Kandidat für einen Stammplatz, was sich am Ende aber doch nicht materialisierte. In jedem Fall kann gesagt werden, dass die Position im Tor aktuell gut besetzt ist.

Nach dem Abgang von zwei erfahrenen Innenverteidigern herrschte auch hier dringender Bedarf, da mit Hall und Veremiyenko nur noch zwei Mann für diese Aufgabe übrig waren. Verpflichtet wurde zunächst der Georgier Andro Giorgadze und gerade letzte Woche erst Vassyl Pryjma, der mit seinen 28 Jahren auf Anhieb zum ältesten Feldspieler seiner immer noch sehr jungen neuen Mannschaft wurde. Ob die beide neuen die durch Vakulenkos Abgang entstandene Lücke füllen können, bleibt zu sehen. Die Innenverteidigung war in der Hinrunde auch mit ihm schon eine Schwachstelle gewesen, und es deutet sich an, dass das wohl auch weiterhin so bleiben könnte.

Im zentralen Mittelfeld war der Bedarf gefühlt gar nicht so groß, waren doch die Plätze durch Klyots, Nasaryna, Kosak, Prytula und Tolotschko recht ordentlich besetzt. Dennoch kam es zu einer Verpflichtung, bei der offenbar einfach die Tatsache, dass sie sich anbot, den Ausschlag gegeben hatte: Nach erfolglosem Auslandsaufenthalt kam mit Oleksandr Khakhlyov ein klassischer „Zehner“ noch jungen Alters.

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Matar Dieye traf gegen Dnipro-1, Photo: © Informationszentrum «FC Karpaty»

Die größte Not herrschte aber in der Offensive, die in der Hinrunde wie auch Ende der abgelaufenen Saison viel zu ungefährlich war. Die zuletzt ja meist als Flügelspieler eingesetzten Hutsulyak und Di Franco waren ja gegangen, und es war hier auch ganz offensichtlich ein Plus an Qualität notwendig. Roman Sanzhar konnte hier mit Hennadyj Pasich und Volodymyr Tanchyk zwei erfahrene Spieler überzeugen, die ihn noch aus gemeinsamen Zeiten bei Olimpik kannten. Außerdem konnte der in der Hinserie noch eher sporadisch eingesetzte Rostyslaw Lyakh in den Testspielen überzeugen und sich für Größeres empfehlen. Im Sturmzentrum hatte Alexandru Boiciuc zwar gezeigt, dass er trifft, wenn man ihn richtig ins Spiel bringt, nur ist das nach wie vor viel zu selten der Fall. Auch wohl eher aus Zufall stellte sich nun heraus, dass Olimpik mit dem Senegalesen Matar Dieye einen Mittelstürmer guter Qualität übrig hatte (er passte offenbar nach einigen weiteren Verpflichtungen in der Winterpause nicht mehr ganz ins Konzept), der bis zum Saisonende auf Leihbasis verpflichtet werden konnte. Alles in allem wurde hier eine leichte Verbesserung gegenüber der Hinserie erreicht, wobei dennoch einige Luft nach oben bleibt.

Die Rückrunde

Seit Ende der Winterpause haben bisher zwei Punktspiele stattgefunden: zu hause gegen Dnipro-1 (1:1) und auswärts gegen Kolos (1:2). In den beiden Spielen hat sich die Mannschaft gegenüber dem letzten Jahr als leicht verbessert gezeigt, litt aber nach wie vor an den alten Schwächen:

  • Die Innenverteidigung ist bei schnell vorgetragenen Angriffen zu leicht auszuspielen. Sie ist zwar etwas beweglicher und schneller geworden, antizipiert aber nach wie vor nicht ausreichend das die Spielzüge der gegnerischen Angreifer.
  • Das Mittelfeld hat zwar eine gute Qualität, vermag es aber nicht ausreichend, Kombinationen und Ballbesitz in gefährliche Situationen vor dem gegnerischen Tor umzusetzen.
  • Der Sturm ist zu sehr auf die (oft ausbleibende) Unterstützung aus dem Mittelfeld angewiesen und hat selber nicht die Qualität, auf eigene Faust gefährliche Situationen zu schaffen. Es werden auch zu viele Chancen benötigt, um einmal ein Tor zu erzielen.

Mit den Schwächen im Personal wird die Mannschaft nun für die noch verbleibenden 12 Spiele leben müssen, während es nun Aufgabe des Trainers sein wird, aus dem vorhandenen „Material“ mehr herauszuholen. Die ersten beiden Gegner waren keine Konkurrenten im Kampf um den Klassenerhalt. Die wirklich wichtigen Spiele werden in der Gruppenphase jeweils Hin- und Rückspiel gegen Olimpik, Vorskla und FK Lviv sein. Alle diese drei Konkurrenten haben in der Winterpause „aufgerüstet“ und sich in ihren ersten zwei Spielen deutlich verbessert gezeigt. Vorskla, die vor dem letzten Wochenende nur zwei Punkte vor Karpaty gelegen hatten, schafften gestern sogar das Kunststück, zu hause 1:0 gegen Shakhtar zu gewinnen, so dass für Karpaty nun der Abstand auf einen Nichtabstiegsplatz schon 5 Punkte beträgt.

Und dieser Abstand könnte nach dem kommenden Spieltag morgen und übermorgen sogar noch wachsen, da der Europa-League-Teilnehmer Oleksandriya nach Lviv kommt, während die Konkurrenz leichtere Gegner haben wird.

Es wird im Moment erst einmal darum gehen müssen, den Abstand nicht weiter wachsen zu lassen. Dann wird es 10 richtig harte Spiele gegen die direkte Konkurrenz geben. Um es positiv zu formulieren: alles liegt in der eigenen Hand, nur leider macht die Mannschaft aktuell nicht den Eindruck, gegen Olimpik, Vorskla und FK Lviv jeweils zwei Dreier holen zu können. Die Gefahr des letzten Platzes und damit Abstiegs aus der UPL ist real, und die Mannschaft wird über sich hinauswachsen müssen, um dieses Szenario noch abzuwenden.