Smalijchuk vs. Koslowskyj – Geschichte eines „Skandals“

Seit gestern findet sich in der ukrainischen Sportpresse häufiger der Begriff „Lviver Skandal“ im Zusammenhang mit der Situation rund um Karpaty Lviv. Wir wagen einen Blick hinter die Kulissen des Konflikts zweier Alphatiere.

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Hrihorij Koslowskyj, Oleh Smalijchuk, Photo: © «FC Rukh», Informationszentrum «FC Karpaty»

Die Vorgeschichte Hrihorij Koslowskyj ist Geschäftsmann, Präsident und Eigentümer des Persha-Liha-Clubs Rukh Lviv, eines Clubs, der traditionell gute Beziehungen zu Karpaty pflegte, wo der Nachwuchs der Grünweißen auf Leihbasis Spielpraxis sammeln konnten und der auch oft zur Anlaufstation für bei Karpaty nicht mehr benötigte Spieler wurde. Als 2018 der ehemalige Karpaty-Spieler Volodymyr Hudyma seinen Prozess um ausstehende Gehaltszahlungen gewann und eine schwere Bestrafung drohte, schaltete sich Koslowskyj ein, erzielte eine Einigung mit dem Spieler und wurde dadurch quasi zum Retter des „großen“ Lviver Vereins.

Das Stadion Die Harmonie zwischen Koslowskyj und Karpaty begann öffentlich (was sonst noch hinter den Kulissen vorging, ist unbekannt) zu bröckeln, als dieses Jahr die Entscheidung um die Vergabe des Stadions „Ukrajina“ und des umgebenden Geländes durch die Stadt an den Club anstand. Koslowskyj, selber im Stadtrat, machte sich zum Anführer derer, die diese Idee nicht unterstützten und verwies auf die (in der Ukraine nicht unübliche) Konstruktion von Offshore-Unternehmen, über die Petro Dyminskyj das Eigentum des Clubs organisiert hatte, woraufhin am Ende der Antrag abgelehnt wurde. Als Gegenvorschlag propagierte Koslowskyj die Idee, den Verein als eine Art „Volksclub“ unter die Obhut der Stadt Lviv zu geben, was dann schließlich angenommen wurde.

„Volksclub“ Karpaty Die Karpaty-Führung sagte: in Ordnung, machen wir es so. Leider folgten aber der Ankündigung der Stadt keine Taten. Bürgermeister Sadowyj machte bald einen Rückzieher und erklärte, die Stadt könne keinen Profifußballclub besitzten. Das Resultat: Petro Dyminskyj war nicht mehr bereit, in den Verein zu investieren, da er keine Möglichkeit mehr sah, damit Geld zu verdienen, die Stadt, die den Stadionplänen nicht zugestimmt hatte, wollte von den Plänen, den Verein zu überehmen, schon nichts mehr wissen, und es war unklar, wovon der Verein weiter existieren sollte.

Auftritt Smalijchuk Nach der Übernahme des Clubs durch Oleh Smalijchuk, selber ein wohlhabender Geschäftsmann, aber auch kein Oligarch, der den Betrieb des Vereins „als Hobby“ betreiben könnte, waren die Probleme nicht gelöst, da die zweite Hälfte des Vereins Ihor Kolomojskyj gehört, der sich bisher offenbar geweigert hat, mit Smalijchuk über einen Kompromiss zur Übertragung seines Anteils und einer Beteiligung an der Begleichung der Schulden des Clubs zu reden, weswegen der Club sich aus dem Spielbetrieb der UPL in dieser Saison schließlich zurückzog.

Verstimmung Koslowskjys Dass das Verhältnis zwischen Karpaty und Koslowskyj aktuell gestört ist, gilt als ein offenes Geheimnis. Koslowskyj hatte in einem Interview vor einigen Wochen selber erklärt, er sei verärgert gewesen, als in der Winterpause Oleksij Hutsulyak zu Desna statt zu seinem Club, Ruhkh, wechselte. Ob es zuvor eine Absprache gegeben hatte, wird nur spekuliert, es ist auch unbekannt, ob nicht der Wille des Spielers bei der letztlichen Entscheidung ausschlaggebend gewesen war. In der Folge hatten sich öffentliche Äußerungen Koslowskyjs und der Karpaty-Vereinsführung dann Stück für Stück hochgeschaukelt. Zum Schluss erklärte Koslowskyj bei „Vatsko Live“, das Thema Karpaty sei für ihn erledigt.

Hilfsangebot Koslowskyjs Als nun der Verein verkündigte, er könne aus finanziellen Gründen nicht zu den noch ausstehenden Spielen anreisen, erklärte Koslowskyj öffentlich, er würde dem Verein das fehlende Geld persönlich zur Verfügung stellen. In der Presse kursierten bereits Nachrichten über eine mögliche „Rettung“, wobei eigentlich hätte bekannt sein müssen, dass dem Verein ganz andere Summen fehlten als nur die Mittel, die verbleibenden Spiele der Saison auszutragen.

Koslowskyj vs. Smalijchuk Auf Karpaty-Seite reagierte man sarkastisch. Oleh Smalijchuk überwies ca. 250.00 Hrywna (ca. 8.100 Euro) an die UPL, um damit die Strafzahlung, zu der der die Liga Koslowskyjs Verein für die Verwendung nicht lizensierter Bälle bei Spielen verurteilt hatte, zu begleichen und erklärte, dass das Problem nicht die ausstehenden Spiele seien, sondern die rund 5 Mio Euro Schulden des Vereins. Es folgte ein Schlagabtausch zwischen beiden über die Presse.

Der „Skandal“ Das vorerst letzte Kapitel der Seifenoper schrieb nun Karpaty-Präsident Oleh Smalijchuk. Sozusagen als i-Tüpfelchen bot er jedem Club in der Persha Liha 500.000 Hrywna an (mittlerweile ist das Angebot auf 600.000 Hrywna erhöht worden), der in einem der noch verbleibenden Spielen Koslowskyjs Club FK Rukh besiegte. Koslowskyj wurde diese Information durch seinen Freund, den früheren Karpaty-Spieler Mykhajlo Kopolovets, zugespielt und regte sich prompt öffentlich darüber auf. Smalijchuk erklärte daraufhin, dass ihm daran liege, dass beide Clubs in der nächsten Saison in der Persha Liha gegeneinander spielten (Rukh stand lange auf Platz 1 der Persha Liha und hat gute Chancen, in die UPL aufzusteigen).

Und nun? Es ist kaum vorzustellen, dass Smalijchuk sein „Angebot“ machte, ohne fest davon auszugehen, dass das öffentlich bekannt würde. Als passionierter Karpaty-Fan, der er ist, ist er natürlich nicht bereit, Almosen anzunehmen, die seinem Club überhaupt nicht helfen würden. Die Summen, die hier sowohl er als auch Koslowskyj ins Spiel gebracht haben, sind im Vergleich zu den Schulden des Clubs eher verschwindend klein. Wenn Smalijchuk auf ein Duell mit Rukh in der Persha Liha nächste Saison hofft, ist er im Grunde doppelt optimistisch, wenn er hofft, dass (a) Rukh nicht aufsteigt und (b) Karpaty als professioneller Fußballclub in der nächsten Saison noch existieren und auch eine Lizenz erhalten, um in der Persha Liha anzutreten. Vielleicht weiß er mehr als wir, das wäre zu hoffen. Wir sehen weiter ungewissen Zeiten entgegen.

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